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Wer nicht lesen will, kann hören

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Das Hörbuch war von der Buchmesse nicht mehr wegzudenken
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Der Trend kommt wie so viele vom großen Bruder USA: was früher den Kindern und Jugendlichen vorbehalten war oder auf altmodischen Kassetten von älteren Herrschaften aus der Stadtbücherei ausgeliehen wurde, boomt plötzlich: das Hörbuch. Verlage und Studios für Hörbuchproduktionen schießen aus dem Boden, und die Buchverlage setzen auf einen vielversprechenden neuen Markt. Zwar steigen die Umsätze nicht so rasant wie in den USA, wo die Autostrecken länger, der Verkehr auf den Highways ruhiger und die Abnehmerzahl größer ist, aber immerhin werden einer Studie nach heute schon 21 Hörbücher je 100 Einwohner verkauft. Das Angebot ist groß und breit gefächert: Die neuesten Bestseller werden fast gleichzeitig mit der Buchausgabe (Beispiel Milan Kundera: Die Identität, DerHörVerlag) vertont, Hörspielraritäten (wie Hans-Christian Blech in „Die Verführung“ von Witold Gombricz, Noa Noa Hörbuchedition) werden so dem Interessierten zugänglich gemacht und natürlich wird Lyrik kunstvoll von Schauspielern vorgetragen (Beispiel: „Klagendes Leid – schaurige Lust“. Balladen und Melodramen der Romantik, Interpret: Otto Sander, Klavier: Christoph Israel, Patmos). Buch und Hörmedium machten sich dabei keine Konkurrenz, versichert Annette Pape vom Riesen DerHörVerlag GmbH (ein Zusammenschluß von acht großen Verlagen für die Hörbuch-Produktion). Buch und Hörbuch würden sich eher ergänzen. Im Gegenteil, das Erscheinen des jeweiligen Mediums würde die Absatzzahlen für die anderen Produkte nur wieder in die Höhe treiben – eine Kettenreaktion. Erstaunlicherweise wird in diesem Marktsegment das Medium Musikkassette der CD noch vorgezogen, stellte Pape fest. Wenn eine Produktion auf MC und CD erhältlich ist, würden 70 Prozent der Käufer immer noch zur Kassette greifen. Ein plausibler Grund ist die Tatsache, daß in den meisten deutschen Autos immer noch der Kassettenrekorder vorherrscht. Außerdem könnte man Kassetten an einer bestimmten Stelle anhalten und beim nächsten Einschalten einfach weiterhören. Praktikabler und billiger in der Herstellung seien sie zudem, bemerkte Werner Dasch, ein Hörbuch-Hersteller aus Pliening. Welche Rolle die Musik spielen sollte, darüber gehen die Meinungen auseinander. Heidemarie Eckardt, Marketing-Leiterin eines Verlages und Studios für Hörbuch-Produktionen stellte fest, daß ihr Akademiker-Klientel „mit geschultem Ohr“ den Text als solches schon als Musik empfinde. Begleitende Töne zur Lyrik seien nicht erwünscht. Ganz anders empfindet der Schweizer Urs Engeler. Er ist der Meinung, daß sich die von ihm vertriebenen Lyrikbände durch die Musik auf den Hörbüchern noch besser erschließen. Lyrikband und CD bilden bei ihm auch optisch eine Einheit. Das Auge mit dem Ohr verbinden – vielleicht ein Modell der Zukunft. Beispiel: singtrieb. Gedichte [laut]: Hummelt spricht und Clöser spielt, Urs Engeler Editor, Basel 1998. Was erstaunlicher Weise noch fehlt, ist ein Gesamtkatalog. Dem will das auditOHRium ab Januar 1999 Abhilfe schaffen, der Hörbuchkatalog für den Handel und den Endverbraucher soll als Medienpaket in einer Print- und einer CD-ROM-Ausgabe sowie im Internet erscheinen. Auf dem Erfassungsbogen kann der Antragsteller unter anderem folgende Zielgruppen ankreuzen: Autofahrer/innen, Badende, zum Beispiel Bügler/innen oder „Die, die noch was lernen wollen“. Der Hörbuch-Markt als ein Markt der unbegrenzten Möglichkeiten also – die Zukunft wird die Antworten liefern.

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