Obwohl er zu den bedeutendsten italienischen Komponisten des 20. Jahrhunderts zählt, ist Luigi Dallapiccola (1904–1975) selbst unter versierten Kennern in der Regel nur dem Namen nach bekannt. Seltsam, denn dank seiner persönlichen musikalischen Sprache und einer unorthodoxen Auseinandersetzung mit der Zwölftontechnik gehört er zu den großen Individualisten seiner Zeit. Das zeigt nun auch die Einspielung seiner Orchesterwerke.
Fünf Jahre hat es gedauert, bis das britische Label „Chandos“ sich an die zweite Folge der Einspielung von Orchesterwerken wagte – und das Risiko hat sich in jeder Hinsicht gelohnt. Auch wenn das hier eingespielte Repertoire im Werkverzeichnis von Dallapiccola nicht ohne weiteres an zentraler Stelle steht, markieren die Partituren doch entscheidende Wegmarken (Dallapiccola gilt weithin als Komponist von Vokalmusik, seine 1968 in Berlin uraufgeführte Oper Ulisse wird als Summa seines Schaffens angesehen). Beginnend mit einem neoklassizistischen Rekurs, über eine freie Behandlung zwölftöniger Reihen bis hin zur kontrapunktischen Verdichtung des Satzes entwickelte er einen charakteristischen, durchaus „italienischen“ Stil mit lichter Faktur und dem Primat der melodischen Geste. Hinzu kommt Ende der 1930er Jahre die innere Emigration und ein politisches Engagement, dass sich in den gewählten Texten und einer sich wandelnden Ästhetik widerspiegelt.
Unglaublich erscheint es, dass die gewichtige viersätzige Partita (1930/32) hier zum ersten Mal überhaupt auf Tonträger eingespielt wurde. Denn schon der als Passacaglia angelegte Kopfsatz macht klar, dass hier ein Komponist auf den Plan tritt, der etwas zu sagen hat, musikalische Zeit zu gestalten weiß und einen ausgesprochenen Sinn für Orchesterfarben hat. Dies gilt auch für die von Webern beeinflussten, doch viel weiter gefassten Dialoghi (1959/60), in denen das Solo-Cello als primus inter pares erscheint. Wie eine Hommage an Charles Ives wird der Titel des letzten Orchesterwerkes Three Questions with Two Answers (1962/63) – nur dass Dallapiccola die Fragen selbst verbalisierte („Wer bin ich? Wer bist du? Wer sind wir?“) und für die letzte, unausgesprochene Antwort auf das letzte Bild seiner späteren Oper verweist.
Die Interpretation durch Gianandrea Noseda und das gewohnt spielfreudig und klangintensiv agierende BBC Philharmonic setzt Maßstäbe. Dennoch wirkt die Einspielung etwas dumpf und basslastig. Die weite Aufstellung der Mikrophone entspricht dem von der Musik geöffneten Klangraum, verwischt aber manches Detail im unteren dynamischen Bereich.