Köln - Spielfreudig, dynamisch, aber nicht ganz frei von kleinen Fehlern, so muss es sich angehört haben, als die Beatles 1963 ihr Debüt-Album «Please, Please Me» in den Londoner Abbey Road-Studios aufgenommen haben. Die Neuausgabe der gesamten regulären Beatles-Studioaufnahmen, die am Mittwoch (9. September) weltweit veröffentlicht wird, soll an diesen Originalsound des Quartetts aus Liverpool so nah wie bislang nie zuvor heran kommen.
Vier Jahre lang haben fünf Tontechniker in den Abbey Road Studios getüftelt, um eine möglichst authentische Wiedergabe der alten Analogaufnahmen zu erreichen. Dazu nutzten sie sowohl neueste Studiotechnik als auch klassische Sound-Ausrüstungen. Das Ergebnis sei «die originalgetreueste Klangqualität, in der diese Musik seit ihrer Entstehung und Erstveröffentlichung in den 60er Jahren zu hören war», kündigt die Plattenfirma EMI an.
Und das ist nicht zu viel versprochen. Wo die Beatles aufgrund der bescheidenen technischen Aufnahmemöglichkeiten ihrer Zeit bislang mitunter arg bleiern und blechern klangen, ist jetzt viel Transparenz und Klarheit eingezogen. Erstmals klingen die einzelnen Singstimmen und die Instrumente einzeln deutlich heraus, selbst eigentlich schon «totgehörte» Stücke wie «Help» oder «A hard day night» erstrahlen in neuem Glanz.
Klugerweise wurde bei der Neuauflage auf Authentizität statt auf Perfektionen gesetzt. So können Puristen das Quietschen von Ringo Starrs Schlagzeugpedale hören, der viel gerühmte Chorgesang von George, Paul, John und Ringo ist auf den neuen CDs beileibe nicht immer so perfekt, wie man ihn in Erinnerung hat. Dafür punktet die Neuauflage mit unverfälschter Lebendigkeit.
Die neue Album-Kollektion enthält alle zwölf Beatles-Alben der Jahre 1963 bis 1970, vom Debüt bis «Let It Be» in neu aufbereiteten Stereo-Versionen. Hinzu kommt, ebenfalls in Stereo, das Ende 1967 erstveröffentlichte Soundtrack-Album «Magical Mystery Tour». Eine Stereo- Doppel-CD bietet zahlreiche nicht auf Alben enthaltene Singles. Jede der neuen CD-Ausgaben enthält detaillierte Informationen und interessante Notizen von der Entstehung der jeweiligen Aufnahmen. Die Alben sind auch einzeln erhältlich.
Für den harten Kern der Sammler wurde noch eine zweite Box konzipiert. «The Beatles In Mono» versammelt alle seinerzeit für eine Mono-Veröffentlichung abgemischten Beatles-Aufnahmen. Die Witwen der verstorbenen Beatles John Lennon und George Harrison haben dem Projekt ebenso ihren Segen gegeben, wie die noch lebenden Bandmitglieder Paul McCartney und Ringo Starr.
Auf die Neuauflagen hat die immer noch große Fan-Gemeinde der Band lange warten müssen. Als Ende der 1980er Jahre die Beatles-Alben das erste Mal auf CD veröffentlicht wurden, war die Enttäuschung groß. Mit den lieblos umkopierten Bändern wurden die Möglichkeiten der neuen Technologie nicht ansatzweise genutzt. Prompt reagierte die bei der Band ohnehin besonders aktive Szene der Schwarzpresser mit aufwendig gemachten, aber illegalen CDs, die mit deutlicher besserer Qualität als die regulären Album aufwarten konnten.
Sie sollen jetzt überflüssig werden. Gleichzeitig wollen EMI und die Beatles-Plattenfirma Apple offenbar rechtzeitig zum beginnenden Weihnachtsgeschäft punkten. Bei Online-Händlern kann die Box mit den 16 CD schon für rund 200 Euro bestellt werden.
Für Apple bedeuten die Bänder der «Fab Four» auch fast 40 Jahre nach Auflösung der Band eine Lizenz zum Gelddrucken. So erschien erst vor drei Jahren die von Beatles-Produzent George Martin zusammengestellte Musikcollage «Love» aus Liedern der Band. Das Album hat in Deutschland den ersten Platz der Charts gereicht. Auch mit der neuen Album-Box dürften zu den geschätzten 1,3 Milliarden verkauften Tonträgern der Beatles noch etliche hinzu kommen.