Es war das Pop-Märchen des vergangenen Jahres, diese Suche nach dem „verschollenen“ Musiker Sixto Rodriguez, dessen Song vom „Sugar Man“ seit Jahrzehnten durch das Pop-Universum schwebt. Als bester Dokumentarfilm wurde „Searching For Sugar Man“ (als DVD bei Rapid Eye Movies) heuer mit dem „Oscar“ ausgezeichnet. Aber der Reihe nach: sein Name war mir seit 1980 herum geläufig, weil ich gerade seine Debütplatte von 1970, „Cold Fact“, als dubiose mexikanische Pressung erstanden hatte. Als „Geheimtipp“ hatte mir irgendein Plattenfreak diesen „mexikanischen Typen“ empfohlen. Aber er war bei mir nie zum „household name“ geworden. Eine schöne Platte, deren Spuren sich schnell im Sand verloren.
Vor einigen Jahren nun tauchte „Sugar Man“ plötzlich wieder in den Clubs auf. Und wieder fragte ich mich: Woher kam dieses „One Hit Wonder“ eigentlich? Auf der letztjährigen Viennale bekam ich die Antwort. Den schwedischen Regisseur Malik Bendjelloul hatte dieselbe Frage zu einem Film über diesen „unsung hero“ der Popgeschichte bewegt. Die Geschichte beginnt in Südafrika, wo der Musiker bekannter ist als Elvis, weil sein Song „I Wonder“ auf wundersame Weise zu einer Anti-Apartheidshymne geworden ist.
Durch einen Zufall (und viele Raubkopierer) war Rodriguez dort in den 70ern zur „Stimme der Gegenkultur“ geworden. Angeblich habe er sich später auf der Bühne das Leben genommen. Doch irgendetwas scheint an dieser Geschichte nicht zu stimmen. Er beginnt nach Spuren zu suchen.
Bald führt ihn die Reise nach Detroit, der ehemaligen „Motown“. Durch die Songtitel und die Credits der Platte, die auf „Sussex Records“ erschienen war, war er darauf gekommen. Und mir fiel im Kino zum ersten Mal auf, dass ich diesen Sound doch schon seit Jahrzehnten jenseits von Rodriguez gekannt hatte. Das war doch der etwas anpsychadelisierte Sound der ersten LP von Bill Withers, die – welch Zufall –auch auf „Sussex“ erschienen war und dank dem Evergreen „Ain’t No Sunshine“ zum Bestseller geworden ist. Und tatsächlich gab es Überschneidungen bei den Teams, die an diesen großen Platten mitgewirkt hatten. Aber aus irgendeinem Grund verkaufte sich Rodriguez’ großartiges Debütalbum von 1970 überhaupt nicht. Und auch die Nachfolgeplatte blieb trotz der hohen Qualität wie Blei in den Läden liegen. „Sussex“ löste den Vertrag mit dem begabten Singer-Songwriter wieder.
Die Geschichte könnte zu Ende sein. Doch eine Amerikanerin soll einige Platten nach Südafrika mitgebracht und alle ihre Freunde dafür begeistert haben. Und nun kam der Ball ins Rollen, jeder kopierte die Platte, die im Radio nicht gespielt werden durfte. Bestimmte Songs wurden im Archiv des Rundfunks sogar extra verkratzt, damit sie nicht gespielt werden konnten. Und so wurde der Hüne mit den langen schwarzen Haaren und der schwarzen Sonnenbrille bald zum Pop-helden. Jeder Fan kannte seine melancholischen lyrics auswendig. Noch vor Marvin Gaye stimmte der ewige Drifter den „Inner City Blues“ an. Manchmal erinnert er dabei an Bob Dylan, Donovan oder bei den ganz ruhigen Balladen an Nick Drake, der sein großes „Comeback“ nicht mehr erlebt hat. Rodriguez aber hat überlebt und taucht plötzlich im Film putzmunter auf.
Das Happy-End wird im Film wunderbar inszeniert: Rodriguez gibt in Südafrika Konzerte. Jetzt können alle seine Fans der vergangenen 40 Jahre ihr Idol live erleben. Und endlich können sie mit ihm gemeinsam die Hymne singen, die sie über die Zeitläufte begleitet hat: „I Wonder“. Epilog: Im Zuge des „Revivals“ gab Rodriguez im letzten Jahr auch in England Konzerte. Alle waren ausverkauft. Natürlich ist bei Sony auch ein Soundtrackalbum erschienen. Und zum ersten Mal erhält er für seine Songs nun endlich auch die Tantiemen, die ihm dubiose Geschäftemacher immer vorenthalten hatten.