Im Bregenzer Festspielhaus soll es immer eine „Opern-Orchidee“ sein, eine Rarität. Angesichts der Fassungsproblematik kann das auch für Jacques Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ gelten – erst recht wenn sich ein Stefan Herheim auf die Künstler-Problematik stürzt. Die mit Dirigent Johannes Debus und Dramaturg Olaf Schmitt erarbeitete Fassung reflektiert den Forschungsstand und trifft neue, dramaturgisch fesselnde Entscheidungen.
Textgenau spielt alles in einem von Christof Hetzer (Bühne) und Esther Bialas (Kostüme) x-fach phantastisch verwandelten Theaterraum. Darin entwickelt Herheim „Bewusstseinsstrom“-Theater: Realität, Erinnerung, Sehnsuchtsvision, Alptraum, Hoffnung und Scheitern durchdringen sich wie in einem trans- und poli-sexuellen Rausch, voller Glitterglanz und Tristesse, echter Emotion und perfid-tödlicher Täuschung.
Die Klischee-Erwartungen des Publikums vom „reifenden Künstler“ werden konfrontiert mit dem „erzählten Erzähler“ Hoffmann, der im Venedig-Akt Kontrolle, Ich-Bewusstsein und Leben verliert. Der schwedische Tenor Daniel Johansson ist über seine blendende Bühnenerscheinung hinaus bis zu seinem bitteren Ende ein beeindruckender Sänger-Dichter im Kontrast zum wuchtigen Widersacher von Michael Volle.
Alle Frauen-Träume – glänzend differenziert Pär Karlsson als stumme Drag-Queen; Kerstin Avemo als brillante Koloraturen produzierendes Society-Püppchen Olympia; Mandy Fredrich mit dem schwelgerisch strahlenden, tödlichen Ruhm des Gesangsstars Antonia – fließen im gleichen Korsett und gleichen Glitter-Abendkleid und Blond-Perücken zum wahnhaft enttäuschenden, nicht wirklich existierenden Triple-Sex-Star Giulietta ruinös zusammen. Offenbachs Aussage „Das ist keine opéra comique, sondern ein ernstes Werk, absolut tragisch“ ist erfüllt: fulminant – ein Markstein der „Hoffmann“-Interpretation.