Im September vergangenen Jahres fand auf der Berliner Museumsinsel eine viel beachtete Wiederaufführung von Ernst Lubitschs Monumentalfilm „Das Weib des Pharao“ mit der Originalmusik von Eduard Künneke statt, gespielt vom WDR- Rundfunkorchester unter der Leitung von Frank Strobel (siehe nmz Oktober 2011).
Wer diesen Abend verpasst hat, kann Lubitschs Film in identischer Komposition, Besetzung und Interpretation auf einer DVD nach erleben, die nun bei Alpha-Omega erschienen ist.
„Das Weib des Pharao“ entstand 1921 südlich von Berlin in märkischer Sandlandschaft der ,Rauhen Berge‘ des damaligen Vororts Steglitz. Ernst Lubitsch, der sich mit skurrilen Komödien wie „Das fidele Gefängnis“ (1917), „Ich möchte kein Mann sein“ (1918) oder „Die Austernprinzessin“ (1919), aber auch mit historischen Stoffen wie „Carmen“ (1919) oder „Anna Boleyn“ (1920) einen Namen gemacht hatte, war 1920 mit seinem Revolutionsmelodram „Madame Dubarry“ der kommerzielle Durchbruch auf dem amerikanischen Markt gelungen. Um diesem Erfolg eines deutschen Films in den USA weitere folgen zu lassen, setzten Lubitsch und sein Produzent Paul Davidson mit ihrem nächsten Projekt gezielt auf das beim US-Publikum beliebte Genre des Monumentalfilms. Mit finanzieller Rückendeckung eines Hollywood-Studios entstanden, wurde „Das Weib des Pharao“ die damals teuerste deutsche Filmproduktion.
Deren fester Bestandteil war eine der optischen Prachtentfaltung adäquate, sinfonische Musik – für damalige Verhältnisse außergewöhnlich, weil dafür meist die Mittel fehlten. Die Originalkomposition Eduard Künnekes unterstreicht also das ambitionierte Vorhaben des Films, mit dem man nicht zuletzt ein bildungsbürger-liches Publikum in die Kinos locken wollte, das diesem Massenvergnügen bisher reserviert begegnete. „Das Weib des Pharao“, im Februar 1922 in den USA gestartet, bescherte Lubitsch den erhofften Erfolg und beförderte seine Karriere, die er im gleichen Jahr in Hollywood fortsetzte. Der Film geriet später in Vergessenheit und galt lange als verschollen – womit er das Schicksal vieler Stummfilme teilte.
Doch auch nach seiner Wiederentdeckung in einer unvollständigen Fassung in den 1970er Jahren, später durch seine Komplettierung und Restaurierung durch Alpha-Omega in München, haftete dem Werk das Stigma ähnlicher Filme dieses Epoche an: monumental eben und für ein heutiges Publikum nur schwer vermittelbar.
Erst die Ergänzung durch Eduard Künnekes Musik verleiht dem Film jenes Maß an dramaturgischer Spannung, psychologischer Dynamik, an Raffinement, das dieses vermeintlich verstaubte Museumsstück wieder zu neuem Leben erweckt.
Die digital restaurierte Fassung des Films erfüllt höchste Ansprüche. Unruhiger Bildstand, Helligkeitsschwankungen, Fussel oder Laufschrammen: nichts dergleichen.
Die besonders für Innen- oder Nachtszenen verwendeten, monochromen Einfärbungen folgen den Original-Viragen. Allein gewöhnungsbedürftig die absolut statischen Zwischentitel. Film ist doch ein bewegtes Medium, das, wenn auch unmerklich, „atmet“. Vielleicht gibt es künftig bei digitalen Bearbeitungen von historischen Filmen eine Software, die etwas vom Eindruck der leichten Laufbewegung des Projektors simuliert.
Der Dirigent Frank Strobel, verantwortlich für die Einrichtung von Künnekes Partitur auf den restaurierten Film, hat dessen Musik im Sommer 2011 mit dem WDR-Rundfunkorchester und in Zusammenarbeit mit ZDF/Arte für die vorliegende DVD eingespielt. Die Aufnahme, in Dolby Digital 5.1 beziehungsweise Dolby Digital 2.0 Stereo ist von kaum zu überbietender Plastizität und Brillanz. Strobel, einer der führenden Kräfte in Sachen Filmmusik, erreicht mit dem WDR-Klangkörper ein Maß an Ausdruckskraft, Nuancierung, kurz: an künstlerischer Qualität, die das Orchester in die Riege der Spitzenensembles ihres Fachs empfiehlt.
Wer sich davon en détail überzeugen will, kann dies mit Hilfe einer beigefügten Bonus-DVD tun. Sie enthält unter anderem den Live-Mitschnitt eines Filmkonzerts mit dem WDR-Rundfunkorchester, das Frank Strobel im September 2011 in Köln dirigierte. Während im Hintergrund auf der Leinwand „Das Weib des Pharao“ läuft, fokussiert die Bildregie hier ausschließlich die Musiker. Eine schöne, eine sinnvolle Ergänzung zu diesem Stück wiederbelebter Film-, Musik-, Kulturgeschichte, wie sie diese DVD-Edition vorbildlich dokumentiert.
Das Weib des Pharao
ALPHA-OMEGA digital
WDR und ZDF in Zusammenarbeit mit ARTE 2011
www.alpha-omega.de/doku.php