„Ingo Metzmachers eigengewichtig eigenwillige Lesart der Partitur bewirkte deren Domestizierung.“ So kommentierte Kollege Peter P. Pachl vergangenes Jahr (nmz 9/2013) die Salzburger Festspielaufführung von Bernd Alois Zimmermanns „Die Soldaten“. Der nunmehr auf DVD und Blu-ray vorliegende Mitschnitt bestätigt diesen Eindruck.
Denn zum einen homogenisierte Metzmacher durch Rückgriff auf Zimmermanns Konzertversion ohne Zuspielbänder den vom Komponisten plural gedachten Orchesterklang und die exquisit aufspielenden Wiener Philharmoniker präsentierten das epochale, aufrüttelnde Werk unter seinem delikaten Dirigat als einen gediegenen Klassiker der Moderne. Zum anderen hatte der Regisseur und Bühnenbildner Alvis Hermanis – die Felsenreitschule wörtlich nehmend – ein naturalistisches Tableau arrangiert. Die Simultanszenen spielen sich nebeneinander auf der gesamten Breite der Bühne ab, von hinten illustrieren Pornobildchen aus der Frühzeit der Fotografie die Notgeilheit der bisweilen wie in eine Peepshow hereinstarrenden Soldaten. Das schauspielerisch gut geführte Ensemble gibt der auf höchstem Niveau etwas zahnlosen Produktion sängerischen Glanz. (EuroArts/Naxos 2072584)
In der verdienstvollen Reihe historischer Aufnahmen aus der Deutschen Oper Berlin findet sich erfreulicherweise auch eine Reihe (seinerzeit) zeitgenössischer Werke. Boris Blachers „Preussisches Märchen“, 1952 uraufgeführt, ist sicher die leichtgewichtigste unter ihnen. Blacher und sein Librettist Heinz von Cramer greifen in dieser „Ballett-Oper“ die Geschichte des Friedrich Wilhelm Voigt auf, die Carl Zuckmayer in seinem „Hauptmann von Köpenick“ unsterblich gemacht hatte. Das teilweise durchaus schmissige Parlando wird in dieser Aufführung von 1974 von einem spielfreudigen, zackig artikulierenden Ensemble unter Dirigent Caspar Richter trefflich umgesetzt, dennoch wirkt das Ganze trotz Winfried Bauernfeinds Regie-Routine über weite Strecken doch arg angestaubt. (Arthaus/Naxos 101 658)
Auch die „Gespenstersonate“ nach August Strindberg von 1984 ist vielleicht nicht Aribert Reimanns stärkstes Bühnenwerk und man könnte sich diesen Reigen aus Schatten einer düsteren Vergangenheit verstörender inszeniert vorstellen als in der hier konservierten Uraufführungsproduktion von Heinz Lukas-Kindermann. Die Sänger, darunter Martha Mödl in einer späten Rolle, machen aber intensives Kammermusiktheater daraus, während sich im Graben das vier Jahre zuvor gegründete Ensemble Modern unter Friedemann Layer erstmals als Opernorchester bewährt. (Arthaus/Naxos 101 657)
Drei Jahre später gab Intendant Götz Friedrich dem 35-jährigen Wolfgang Rihm die Möglichkeit zu einer großen Opernuraufführung und inszenierte dessen mit Texten von Nietzsche und Heiner Müller angereicherte Sophokles-Adaption „Oedipus“ mit großer, klarer Geste. Andreas Schmidt in der Titelpartie führt ein hochkompetentes Ensemble an, Christoph Prick führt das Orchester der Deutschen Oper durch Rihms zerklüftete Klanglandschaften. Als Fernseh-Live-Mitschnitt der Uraufführung hält die DVD nicht nur Georg Quanders etwas ungelenke Einführung, sondern auch die erboste Erstreaktion eines Zuschauers fest, der das Buh- und Bravogewitter mit dem Ruf „unerträglich!“ auslöst. (Arthaus/Naxos 101 667)
Zurück zu einem Pionierwerk – laut Strawinsky dem „Solarplexus der Moderne“ – führt uns die sorgfältige Dokumentation der Pierrot-lunaire-Aufführung der Salzburger Festspiele von 2011. Barbara Sukowa ist der charismatische Mittelpunkt der kammermusikalisch intensiven Darbietung selbst, Pianistin Mitsuko Uchida prägt mit ihren klugen, enthusiastischen Kommentaren die 50-minütige Werkeinführung. Christian Meyer, Direktor des Arnold Schönberg Center, zeichnet zusammen mit Regisseur Matthias Leutzendorff und den weiteren Interviewpartnern aus dem Ensemble (Marina Piccinini, Anthony McGill, Mark Steinberg, Clemens Hagen) ein lebendiges Porträt diese Schlüsselwerkes. Für ihre Version ohne Dirigenten hatte sich Uchida sogar den Segen von Pierre Boulez geholt. Das sei „sowieso viel besser“, hatte er zu ihr gesagt, und das Konzert gibt ihm Recht, auch wenn Uchida als Fazit einräumt: „Wir werden es nie perfekt hinkriegen, aber ich werde es weiter versuchen.“ (BelAir/Harmonia Mundi 10130)
Nicht um Perfektion ging es in der gelungenen, mit dem Förderpreis „InTakt“ der Miriam-Stiftung ausgezeichneten Zusammenarbeit zwischen dem Ostbayerischen Jugendorchester unter Hermann Seitz, dem Chor der Cabrini-Schule Offenstetten und dem Komponisten Nikolaus Brass. Es ging vielmehr darum, echte Inklusion der Kinder des Förderzentrums in einen musikalischen Prozess herzustellen. Nikolaus Brass komponierte dafür ein „Schöpfungslied“, an dem sich alle mit ihren spezifischen Talenten und Möglichkeiten beteiligen konnten. Die „Momente der glückenden Einvernehmlichkeit und Sammlung“ (Helmut Rohm in der nmz-Ausgabe 6/2011) werden in Katharina Kösters Dokumentation immer wieder gut eingefangen. Der Konzertmitschnitt und Helmut Rohms BR-Sendung über das Projekt runden das schöne Medienpaket ab. (Bestellkontakt: hermann.seitz [at] gmx.de (hermann[dot]seitz[at]gmx[dot]de))