Neben Georges Delerue, Michel Legrand und Maurice Jarre gehört er zu den wichtigsten Komponisten des französischen Kinos der Nachkriegszeit: Philippe Sarde. Aufgewachsen in einer Musikerfamilie, interessierte sich Sarde schon sehr früh für das Kino. Bis zu zehnmal pro Woche ging er oft während seines Musikstudiums ins Kino. Er war fasziniert von der Symbiose von Ton und Bild, „Sound & Vision“. Und so wurde er zum idealen musikalischen Komplizen von Regisseuren wie Bertrand Tavernier, André Téchiné, Roman Polanski und vor allem Claude Sautet. In letzterer Funktion hat er auch alle Romy-Schneider-Filme des Meisters orchestriert.
Sarde & Sautet waren das Traumteam des französischen Kinos der 70er-Jahre. Insgesamt elfmal haben sie zusammen gearbeitet, bis zu Sautets letztem Film „Nelly & Monsieur Arnaud“ 1995. Begonnen hatte diese Erfolgsserie 1968 mit „Die Dinge des Lebens“, wofür Philippe Sarde auch Romy Schneiders berühmtestes Lied schrieb: das Chanson d’ Hélène. Es war Romy Schneider, die für dieses Chanson, das sie im Duett mit Michel Piccoli auch auf deutsch und italienisch aufnahm, genau den richtigen französischen Tonfall fand. Romy Schneider sei bei den Dreharbeiten extrem professionell gewesen, erinnerte sich später Claude Sautet: „Sie hörte sehr genau auf das gesprochene Französisch. Wenn sie einen Text lernte, bat sie mich immer, ihn ihr im Pariser Tonfall vorzulesen. Und sofort erfasste sie, was dahinter steckte. Wir konnten daher oft sehr triviale Texte verwenden – in ihrem Munde wurden sie sogleich subtiler.“ Als er sie kennengelernt habe, habe sie noch ein bisschen laut gesprochen. Im Französischen hätte das ein bisschen hart gewirkt. Doch er fügt hinzu: „Je leiser ihre Stimme wurde, desto mehr entwickelte sie ihr musikalisches Gefühl, desto körperlicher wurde ihre Stimme. Als wir das entdeckten, hatten wir so etwas wie einen geheimen Schatz, ein Geheimnis nur zwischen uns beiden.“ Und das ist wohl das Geheimnis dieser rührenden Gesangsperformance.
Insgesamt fünfmal hat das Triumvirat Sautet/Schneider/Sarde fast ein Jahrzehnt lang zusammen gearbeitet, von „Die Dinge des Lebens“ über „Das Mädchen und der Kommissar“ und „César und Rosalie“ bis hin zu „Mado“ und „Eine einfache Geschichte“. Immer wieder war Philippe Sarde bei diesen Scores recht experimentierfreudig. Schon sehr früh setzte er dabei einen Moog-Synthesizer ein. Und weil sie beide eine große Liebe für Thelonious Monk und Charles Mingus pflegten, gibt es ab und zu auch etwas jazzigere Töne zu hören. Richtige Jazzscores freilich schrieb er für andere Kollegen wie Georges Lautner. Für dessen schmutzigen Thriller „Der Fall Serrano“ komponierte er einen seiner besten Scores, den der Saxophonist Stan Getz veredelte. Es war übrigens einer der letzten großartigen Filme mit Alain Delon, Romy Schneiders einstiger großer Liebe. Und das Motto des Films von 1977 ist heute aktueller denn je: Alle Macht den Moneten.
Eine enge musikalische Freundschaft verbindet Philippe Sarde aber auch mit Bertrand Tavernier. Kennengelernt hatten sich die beiden bereits während der Dreharbeiten zu „Die Dinge des Lebens“. Tavernier war damals noch Sautets Pressebetreuer gewesen. Als Tavernier Mitte der 70er-Jahre begann, selbst Filme zu inszenieren, war Sarde von Anfang an mit dabei. Klassiker wie „Der Uhrmacher von St. Paul“ oder „Der Richter und der Mörder“ festigten dann auch seinen Ruf als wichtigster Filmkomponist Frankreichs. Zur selben Zeit wurde Sarde schließlich auch von Roman Polanski für sich entdeckt. So entstanden bis Mitte der 80er-Jahre drei gemeinsame Filme: „Der Mieter“, „Tess“ und „Piraten“. Das Mittelstück, die traumhafte Thomas-Hardy-Verfilmung „Tess“ – mit Nastassja Kinski in der Titelrolle – wurde zu Sardes Meisterstück. So romantisch hatte Sarde bis dahin noch nie geklungen. Fast wie ein Korngold! Für „Tess“ erhielt er dann auch seine erste und einzige Oscar-Nominierung. P.S.: Die wichtigsten Philippe-Sarde-Soundtracks jener Epoche sind inzwischen alle von der französischen Universal auf CD veröffentlicht worden und nur über den Importhandel erhältlich.