Kino war für Wim Wenders, der am 14. August seinen 70. feiert, immer schon ein „Akt des Sehens“ und die Kunst des Hörens gewesen. Schon den Titel seines ersten Spielfilms hatte er sich Ende der Sixties von einem Lovin‘-Spoonful-Song geklaut: „Summer in the City“. Im Titel eines seiner ersten Kurzfilme hatte der gebürtige Düsseldorfer sogar gleich zwei Songs aus zwei komplett verschiedenen musikalischen Welten miteinander kombiniert: „Alabama: 2000 Light Years“. John Coltranes Lamento über ein rassistisches Attentat in einer Kirche in Birmingham mixte Wenders mit den psychedelischen Klängen der Rolling Stones. Ein erstes Road Movie: „Der Held scheint seiner nervösen Unruhe nur Herr zu werden, wenn er Musik hört und/oder Auto fährt.“ (Stefan Kolditz)
Seine ersten Hör-Filme waren noch typische Werke der „Münchner Schule“. Doch während Alexander Kluge in seinen Filmen klassische Musik bevorzugte und Fassbinder Schlager liebte, war Wenders von Anfang an der „Popmusikbeauftragte“ des Jungen Deutschen Films. Zusammen mit Peter Handke hat er uns in einer Produktion des Hessischen Rundfunks sogar „3 amerikanische LPs“ vorgestellt: Van Morrisons „Astral Weeks“, Creedence Clearwater Revivals „Green River“ und Harvey Mandels „Christo Redentor“. Handke spricht dabei davon, dass die amerikanische Rockmusik eine hör- und sichtbare sei. Dazu sehen wir triste Bilder vom Münchner Stadtrand. Wer will, kann darin schon eine Vorstudie sehen zu Peter Handkes grandiosem „Versuch über die Jukebox“, der vor allem um Van Morrison kreisen wird.
Als Wim Wenders langsam in die große weite Welt hinauszog, legte er dann auch besonders viel Wert auf die Filmmusik. Anfangs ließ er sie sich von Irmin Schmidt & Can („Alice in den Städten“) und Axel Linstädts Nürnberger Gruppe „Improved Sound Limited“ („Im Lauf der Zeit“) maßschneidern. Linstädt, der zuletzt BR-Klassik leitete, später über Wenders: „Er schweigt oft und trotzdem weiß man komischerweise, was er haben will.“
Zum Hauskomponisten erkor Wenders jedoch den damaligen Pianisten der Münchner Lach-und-Schießgesellschaft: Jürgen Knieper. Er sollte einen Großteil seiner Filme orchestrieren, von der Handke-Verfilmung „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ über den „Stand der Dinge“ bis zum „Himmel über Berlin“. Am populärsten wurde freilich 1984 die großartige Wüstenmusik des Bottleneck-Virtuosen Ry Cooder für „Paris, Texas“. Ry Cooder war es dann auch, der für ihn in Havanna den „Buena Vista Social Club“ entdeckt hat. Und so erlebten Musiker wie Compay Segundo, Ibrahim Ferrer oder Ruben Gonzalez – nicht nur auf der Leinwand – einen zweiten musikalischen Frühling. Das Soundtrackalbum entwickelte sich zum Longseller und löste einen Cuba-Boom aus.
Bereits 1990 hat Wim Wenders für den Soundtrack zu „Bis ans Ende der Welt“ die „Hits für das Jahr 1999“ zusammengestellt. Hört man in die CD von damals wieder hinein, ist man erstaunt, wie sich diese Songs nach einem Vierteljahrhundert gehalten haben. Die Liste der Interpreten liest sich wie ein Who-is-who der Popmusik der vergangenen Jahrzehnte: Nick Cave, Lou Reed, U2, R.E.M., Can, Patti Smith, Talking Heads, Neneh Cherry oder T Bone Burnett, der damals noch ein Geheimtipp war. Besonders hübsch: Julee Cruises Cover der alten Elvis-Schnulze „Summer Kisses, Winter Tears“ und Elvis Costellos Version des Kinks-Klassikers „Days“. Manche meinen sogar, dass dieser Soundtrack besser als der Film sei.
Immer wieder hat Wim Wenders auch im vergangenen Jahrzehnt mit befreundeten Musikern Filmprojekte realisiert. So entstand mit Wolfgang Niedecken der durchwachsene BAP-Film „Viel passiert“ und mit Campino als Schauspieler der Spielfilm „Palermo Shooting“. Sein neuestes gemeinsames Projekt mit Peter Handke soll „The beautiful Days of Aranjuez“ heißen. Und es wird ein alter Musikerfreund mitspielen, der famose Nick Cave, der schon in „Der Himmel über Berlin“ seinen großen Clubauftritt hatte.
- Rund um Wim Wenders Geburtstag im August zeigen ZDF, 3sat und Arte unter anderem die Spielfilme „Alice in den Städten“, „Im Lauf der Zeit“, „Der amerikanische Freund“, „Land of Plenty“ und „Don‘t Come Knocking“.