Spätestens seit der jüngst ausgewerteten Meinungsumfrage vom Netzwerk Junge Ohren ist klar: der Beruf der Musikvermittlung steht auf dem Prüfstand. Es gibt immer noch keinen klaren Plan, wohin die Musikvermittlung will, wie ihre (Ausbildungs-)Inhalte und die beruflichen Rahmenbedingungen genau definiert sind. Da kommt Webers Buch gerade recht: es beschreibt auf einfache Weise nicht nur die theoretischen Basisgrundlagen der Musikvermittlung, vielmehr bietet es faktisch kostenlos eine Handreichung mit sieben tollen, wieder verwertbaren Vermittlungskonzepten.
Welche*r in den Beruf hinein gewachsene*r Musikvermittler*in hat noch Zeit, mit zeitaufwändiger Lektüre Basiswissen nachzuholen? Dem schafft Weber mit ihrem Buch Abhilfe. Anhand praktischer Beispiele, die jeder Profi sicher schon selbst im Konzertbetrieb oder an anderer Stelle durchgeführt hat, bündelt die Autorin auf sehr verständliche Weise die wissenschaftlichen Strömungen der künstlerischen Musikvermittlung. Diese sind die Cultural Studies, die Musikpsychologie, die Musiksoziologie, das (experimentelle) Komponieren, die Interkulturalität, die Theorie des Third Space und nicht zu vergessen: die Musikwissenschaft.
In sieben nachvollziehbaren Thesen beschreibt sie, wie künstlerische Musikvermittler*innen durch ihr Handeln Folgendes verändern:
- das System, in dem sie tätig sind,
- die Lücke zwischen Profis und Amateuren,
- musikalische Vorlagen,
- Machtverhältnisse,
- sich selbst,
- die Wahrnehmung von Musik,
- die Konzertkultur.
Nur mit interdisziplinärer, interkultureller Allianz führe der Weg in ein tieferes Verstehen, Erleben und Machen von Musik.
Weber: „Musikerinnen und Musiker mit einer vermittlerischen Haltung denken bisweilen laut über das System nach, in dem sie tätig sind.“ Neben dieser Kernthese sollen die vor jedem Projekt zitierten Kritiken sicher die Barriere aufweisen, die jede*r Musikvermittler*in zu überwinden hat. Dies muss nicht sein. Wenngleich es amüsant erscheint, zeigt das vorgestellte Konzept einer künstlerischen Musikvermittlung tatsächlich einen sehr konstruktiven Ansatz künstlerischer Musikvermittlung. Dieser liest sich für eine*n erfahrene*n Musikvermitterler*in in einem Rutsch durch, Einsteiger kommen sicher auch auf ihre Kosten, zumal hier grafisch abgesetzt und sehr schnell zu finden sieben praktische, übertragbare Musikvermittlungskonzepte angeboten werden.
Aus Barbara Balba Weber spricht eine Vision: die Transformation des Konzertwesens. Das ist in der heutigen Zeit richtig so, nicht zuletzt wenn man der leidigen, viel gestellten Frage nachgehen will, wie denn das Konzertpublikum von morgen aussehen soll? Eines ist klar, so formulieren es auch die im Buch zitierten Künstler*innen (Levit, Formenti, Kopatschinskaja): Musik muss auf Augenhöhe und im lebendigen miteinander stattfinden.
Eine Aufforderung zu praktischer Begegnung mit Musik, ein kleiner Streifzug durch die theoretischen Grundlagen von künstlerischer Musikvermittlung, dies ist „Entfesselte Klassik – Grenzen öffnen mit künstlerischer Musikvermittlung“ von Barbara Balba Weber.
- Barbara Balba Weber: Entfesselte Klassik, Grenzen öffnen mit künstlerischer Musikvermittlung. Stämpfli Verlag AG, Bern, 2018, ISBN 978-3-7272-6009-4, 144 Seiten.