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Fliegende Beine

Untertitel
Die australischen Step-Virtuosen auf Video
Publikationsdatum
Body
Tap Dogs, Warner Vision Int. 1998, ca. 75 MinutenDa ist in der Presseankündigung von sexy Dogs die Rede, von Ekstase, von athletischer Macho-Show, von muskelbepackten Stepkünstlern in Karohemden und Arbeiter-Boots, von der heißesten Show auf Beinen und – hören Sie den weiblichen Aufschrei? – von einer Überdosis Testosteron. Aber, meine Damen, wer wird denn gleich die Besinnung verlieren? Sicher, die athletischen Körper werden ihnen nicht vorenthalten. Und athletisch müssen sie schon sein, bei dieser Show. Macho ist auch dabei. Die Muskeln werden Sie spätestens dann entdecken, wenn das ein oder andere Karohemd fallengelassen wird, wenn der Body mit nichts mehr als einer ausgefransten Jeans und natürlich den Boots bekleidet ist, und – ein bißchen heiß möchte ich Sie schon machen – wenn das Wasser spritzt und das gleißende Neonblau den Körperschweiß hart arbeitender Körper hervorhebt. Aber es ist keine platte GoGo-Show. Dennoch: Sie werden in Ekstase geraten. Das Publikum dieser live aufgezeichneten Step-Show aus dem Londoner West End wird Sie bestätigen. Sicher, dem Publikum bleibt die raffinierte Kameratechnik vorenthalten, kann seinen Blick frei lenken. Dem Videorezipienten bleibt nichts anderes übrig, als sich dem subtilen Spiel der Bildführung zu unterwerfen. Und Sie werden es merken: Er tut’s nicht nur freiwillig, sondern auch gern. So können Sie immerhin zwischen den rasenden Beinflottillen über den Bühnenboden kriechen, können sich die Körper, die die Füße und Beine vor dem Wegfliegen bewahren, von unten und von allen anderen Seiten begierlich ansehen, atmen den Nebel ein, der sie umhüllt, und Sie werden auch naß von den Sprüngen ins inzwischen ausgegossene Wasser. Aber die Lichteffekte werden Sie entschädigen, die jeder einzelne Spritzer im gleißenden Blau abgibt. Der allseits vielfältig hörbare Rhythmus aus Füßen, Schnipsern und Klatschern, aus „Hey!“ und „Wow!“, aus Percussion, Keyboard und Guitar wird in Sie fahren und Sie vergessen lassen, daß da noch Publikum sitzt. Da ist alles Rhythmus: das Pflegen der Boots als szenische Grundlage, das sich „passacaglialike“ zu einem geschlossenen Œuvre aufbaut, der Basketball, der das Continuo zur Polyphonie der Füße bietet, der Aufbau eines vielschichtigen wie variablen Baugerüstes, dessen Böden sich mal in senkrechte Leitern, mal in schiefe Ebenen verwandeln und deren dazugehörenden Seile in ihrer Biegsamkeit eindrucksvolle choreografische Accessoires darstellen. Metall ist der Boden, auf dem die Steps knallen! Und dann der Schmelztiegel der im Halbdunkel agierenden Winkelschleifer: die rhythmische Bahn der Funken, das rhythmische Kreischen der Schleifplatten. Und noch eins drauf: sechs rote „halbmeter mal halbmeter“ Platten choruslineähnlich an der Bühnenfront, darauf herrumgestept entpuppen sie sich als wahres Percussionsgewitter, die Schnittstelle eines musikalischen Gesamtereignisses, kaum in seine Komponenten teilbar, einzigartig synchron, als treten die Dogs die Instrumente mit Füßen. Ja mit Füßen. Denn sie sind hier die Objekte der Begierde. Vorm Wegfliegen bewahrt. Gekonnt. Gekonnt witzig: Sehen Sie sich allein schon das Intro an. Die Verwirrung ist perfekt: Wem gehört welcher Fuß? Egal. Sie sprechen eh‘ untereinander. Eine Szenerie wie im Marionettentheater. Sechs Jungs: Tap Dogs. Born in Australia. Sie bringen es fertig, Sie in gebannte Ekstase zu versetzen. Ungefährlich. Mit ihren Füßen. Ja, und mit dem anderen auch. Vorab können Sie sich ja die Europa-Tour ansehen...

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