Theodor Leschetizky: Andante Finale op. 13 für die linke Hand. Ed.Haas, Köln
Der Nachruhm des 1830 bei Lemberg geborenen polnischen Pianisten Theodor Leschetizky basiert fast ausschließlich auf seiner Tätigkeit als Klavierpädagoge. Nach seiner Ausbildung in Wien bei dem Beethoven-Schüler Carl Czerny (Klavier) und bei Simon Sechter (Komposition) konzertierte und unterrichtete er von St. Petersburg aus. Seit etwa 1878 bis zu seinem Tode im Jahre 1915 lebte er in Wien.
Seine Unterrichtstätigkeit, die er nur privat ausübte, war zur Zeit seiner Übersiedelung schon deutlich in den Vordergrund getreten. Als sein Schüler Ignacy Jan Paderewski, der zwischen 1883 und 1887 bei ihm studiert hatte, Karriere machte, wurde der Lehrer immer berühmter. Neben vielen großen Künstlern wie zum Beispiel Annette Essipoff und Alexander Brailowski unterwies er ab 1888 fast ein Jahrzehnt lang auch den angehenden Jahrhundert-Pianisten Artur Schnabel.
Gerühmt wurde Leschetizkys Fähigkeit, den Schülern einen schönen, singenden Ton zu vermitteln, und sie zu lehren, sich selbst genau zuzuhören. Er konnte offenbar auf Menschen ganz individuell eingehen und deren eigenständige Persönlichkeit fördern. Vor allem romantisch-virtuose Klaviermusik interessierte ihn, weniger die Meister der Klassik und der damaligen Moderne. Schnabel berichtet, wie er ihm 1893 – elfjährig – die soeben veröffentlichten Klavierstücke op. 119 von Brahms vorspielte. Er wurde daraufhin vom Meister beschimpft und erhielt drei Monate lang keinen Unterricht; andererseits schreibt Schnabel auch, dass ihm das Studium von Schubert-Sonaten nahegelegt wurde.
Es ist weithin unbekannt, dass Leschetizky als Komponist tätig war. Er schrieb eine ganze Reihe von heute schwer zugänglichen Klavierwerken, vor allem romantische Charakterstücke und – wie es damals üblich war – Transkriptionen.
Der Musikverlag Wolfgang G. Haas, Köln hat als erstes Heft einer geplanten Reihe mit Klavierwerken von Leschetizky eine Besonderheit herausgebracht: Andante Finale op. 13 für die linke Hand. Als Vorlage dient das Sextett vom Ende des zweiten Aktes der Oper „Lucia di Lammermoor“ von Donizetti, das Liszt in einer wunderbaren zweihändigen Bearbeitung vorgelegt hat. Der Herausgeber Burkhard Muth hat den Notentext revidiert und mit einem liebevoll geschriebenen Vorwort versehen. Leschetizky hat dem sehr virtuos angelegten Stück eine Einleitung vorangestellt. An den Spieler stellt er erhebliche Anforderungen: Die linke Hand muss einen Klaviersatz bewältigen, in dem viele weitgefächerte Akkorde und sehr schnelle Spielfiguren die Melodie umranken.
Besonders am Schluss spürt man des Komponisten/Interpreten Freude, die Hand immer wieder in arpeggierten Dreiklängen und Septakkorden bis in die höchste Diskantlage und zurück zu jagen. Diese kompositorische Rarität bildet ein typisches Beispiel für romantische Virtuosenmusik – und zugleich einen interessanten Beitrag zur Literatur für die linke Hand allein.