Am Anfang ein Hobby, verführt zur Auseinandersetzung mit einem Terrain, das boomt und eifert. Domäne: Interpretation Alter Musik, speziell für die Gambe und ihr Umfeld. Mit erworbenem Know-how werden Defizite entdeckt: im Repertoire, Mängel an stimmigen Notenausgaben. Man greift zur Selbsthilfe. So etwa mag es einem unserer jüngsten Musikverleger mit seiner neuen Edition Güntersberg ergangen sein. Aus Liebhaberei und einem Mini-Team erwuchs dieser Musikverlag in Heidelberg mit eigenem Profil, mit klaren Vorgaben und Zielvorstellungen: Quellentexte, Werktreue, praxisnahes Notenbild – und schon sind zehn Jahre herum mit einigen Dutzend Editionen im Angebot, die eine klare Linie erkennen lassen.
Da ging es vorerst um die Aufbereitung von Consortmusik des 16. und 17. Jahrhunderts sächsischer, böhmischer, italienischer und französischer Herkunft mit Namen wie Clemens Thieme, Le Jeune, du Caurroy, Hammerschmidt, Legrenzi und anderen. Darüber hinaus durchstreift man europäische Bibliotheken und entdeckt nur erahnte, bislang verborgene kammermusikalische Originalmusik speziell für die Viola da Gamba, Gambe allein, zu Zweien, Gambe mit anderen Instrumenten, deren Erschließung sich lohnt. Musikalische Kostbarkeiten zwischen Frühbarock und Frühklassik, wofür Namen stehen wie Locke, Fux, August Kühnel, Gabriel Schütz, Erlebach, Buxtehude, Pachelbel, Schaffrath, Carl Friedrich Abel, Schenck und Graun, auch Telemann, Rameau, C.Ph.E. Bach und J. Haydn neben weiteren, die anderswo kaum zu finden sind. Flötisten, Streicher, Cembalisten und Vokalisten könnten sich hier für ihre Programme der Epoche zwischen 1650 und 1800 reizvolle Besetzungen suchen, der Gamben-Lehrplan der Musikschulen sich mit empfehlenswerten Literaturhinweisen auffrischen.
Leuchttürme der Edition Güntersberg sind inzwischen das Sonaten- und Konzert-Opus von Buxtehude, die Beschäftigung mit Haydns Baryton-trios in Urtextausgabe. Oder die tatsächliche erste Druckausgabe der zeitgenössischen Quartett-Bearbeitung des Requiems KV 626 von Mozart/Süßmayr. Denn die von dem in Mailand lebenden Mozartverehrer Peter Lichtenthal (1780–1853) nach zeitgemäßem Usus gefertigte Quartettausgabe war in Vergessenheit geraten; sie fand sich komplett handschriftlich ausgearbeitet als Instrumentalfassung in der Bibliothek des Mailänder Konservatoriums und diente nun dem Wiener Musikwissenschaftler Marc Strümper für diese erste Drucklegung (Partitur G 088, Stimmensatz G 089), nach der es zwischenzeitlich einige Streichquartett-Einspielungen gibt.
Zurück zur Gambe: Georg Friedrich Händels angeblich einziges Solowerk für dieses Instrument (HWV 364b), aber doch wohl von ihm sanktioniert, entpuppt sich als Übertragung der Violin-Sonate HWV 364, hier bezeichnet als Sonata g-Moll für Viola da Gamba oder Viola und Basso continuo, herausgegeben von Günter und Leonore von Zadow mit Generalbassaussetzung von Angela Koppenwallner und einer, die historischen Zusammenhänge erhellenden, Einführung von Peter Holman.
Eine üppige Ausstattung bietet diese Ausgabe (G149a) mit ihrem klaren Schriftbild und günstigen Wendeplätzen: Neben der Partitur mit nur beziffertem Bass stehen Einzelstimmen von Gambe, Viola, Basso Continuo und Continuo-Cembalo zur Verfügung. www.guentersberg.de