Georg Friedrich Händel: Acht Fugen, HWV 605-610, HWV 611, 612, G. Henle Verlag (HN 749)
Ludwig van Beethoven: Sonate, op. 31,1 (HN 754)
Robert Schumann: Abegg-Variationen, op. 1 (HN 87)
Robert Schumann: Faschingsschwank aus Wien, op. 26 (HN 186)
Antonín Dvorák: Slawische Tänze, op. 46, für Klavier zu vier Händen
Historisch-kritisch, in klar gesetztem Notenbild, mit gekonnt gewählten Fingersätzen, sehr gut spielbar – all diese Kriterien werden, man könnte beinahe schon sagen „in traditioneller Manier“ auch von den neu erschienenen Urtext-Ausgaben Henles erfüllt. Darüber hinaus lässt sich den Editionen der ausgewählten Klavier-Kompositionen aus dem 18. und 19. Jahrhundert noch einiges mehr entnehmen, zeigen sie doch auch, welche Geschichte(n) mit Werk, Komponist, Verleger und ihrer jeweiligen Zeit in Verbindung stehen.
So erzählen sie von Händels „Wiederverwertung“ der edierten Fugen in Oratorium (HWV 605, 609 in „Israel in Egypt“) oder in Concerti grossi (HWV 606 in Concerto grosso op. 3 Nr. 3, HWV 607 in Concerto grosso op. 3 Nr. 2) sowie von der Vielzahl an Abschriften dieser. Sie beschreiben Beethovens Wutausbruch über die vermeintlichen Fehler seines Verlegers Nägeli in der Erstausgabe seiner Sonate op. 31,1 (die möglicherweise auf Beethovens eilige, teils unleserliche Notation zurückzuführen waren). Oder sie zeigen einen Dvorák, der sich – damals im Umgang mit dem Verlag Simrock noch recht unerfahren – mehr oder weniger dazu gezwungen sah, weitreichenden Eingriffen des Lektors in sein Werk zuzustimmen. In der später entstandenen Orchesterfassung der Slawischen Tänze konnte Dvorák seiner eigentlichen Komposition entsprechend korrigieren und ihre Ausgewogenheit und Form wiederherstellen. Mit den „Abegg-Variationen“ richtet sich der Blick auf den damals 21-jährigen Jura-Studenten Schumann, der sich nach der Komposition etlicher Werke dazu durchrang, den Schritt an die Öffentlichkeit und in eine Zukunft als Musiker zu wagen: Die „Abegg-Variationen“ wurden als erstes Werk Schumanns gedruckt (Verlag Kistner, Leipzig), mit der Bezeichnung „Opus 1“. Die auf dem Titelblatt der Erstausgabe genannte „Pauline Comtesse d’Abegg“, die Schumann zum Thema über die Tonfolge A-B-E-G-G inspiriert haben soll, nennt der Komponist selbst „eine Mystification“. Da es sich jedoch „nach allgemeiner Überzeugung“, so der Herausgeber Ernst Herttrich, um die verheiratete junge Mannheimerin Meta Abegg (verheiratete Heygendorff) gehandelt habe, liegt nahe, dass Schumann hier absichtlich etwas „verdunkelte“. Sieben Jahre (Ende September 1838) nach Erscheinen des „Opus 1“ reiste Schumann nach Wien, der damaligen „Musikstadt“ schlechthin, in der Absicht, sich dort mit Clara ganz niederzulassen. Der Aufenthalt schien jedoch unter keinem guten Stern zu stehen und die Pläne, nach Wien zu „übersiedeln“ zerschlugen sich. Dennoch entstanden während seines Aufenthalts eine Reihe von Kompositionen, darunter auch der „Faschingsschwank aus Wien“ op. 26 (später in Leipzig vollendet), der in der Kritik äußerst positiv aufgenommen wurde – als „an allen Enden humoristisches Wetterleuchten“ (Allgemeine Musikalische Zeitung vom 17.1.1842).
Anhand Henles Urtexten spielt es sich daher angenehm und mitreißend durch die Epochen, und im Nachvollziehen der editorischen Arbeit der jeweiligen Herausgeber treten nicht nur die Werke entstaubt ans Tageslicht, sondern auch ihre lebendigen Hintergründe.