Heute wie früher wird fast immer der obligate Kontrabass in der Mozart-Arie KV 612 gegenüber der Originalnotation zwei Oktaven tiefer gespielt. Jedoch darf der Kontrabass als transponierendes Instrument nur eine Oktave transponiert werden! Mozarts Vater bezeichnete es als einen in der musikalischen Setzkunst „ganz gemeinen Fehler“, wenn man ein Soloinstrument in den mittleren und tiefen Bereich des Klangs der Begleitstimmen einbettet, was in diesem Fall dem obligaten Kontrabass als Solo-Instrument widerfährt.
Der Kontrabasslehrer an der Akademie für Musik und darstellen-de Kunst in Wien, Max Dauthage, hat dies auch bereits vor fast hundert Jahren kritisiert und hat damit „einen Stich ins Wespennest“ riskiert. Doch nichts hat sich geändert. Da jedoch Mozarts Werk endlich wieder original interpretiert werden sollte, ist den Meinungen verirrter Verlage, Verleger und den meisten Vertretern der damit beschäftigten Wissenschaft entgegenzutreten!
Die international anerkannten Musikwissenschaftler Jahn und Abert begingen in ihren großen Mozartbiographien den Fehler, die Arie zu beurteilen, ohne die speziellen Besonderheiten des Kontrabasses zu kennen und zu berücksichtigen. So schrieb Jahn: „... das Interesse der Arie ruht wesentlich auf der Virtuosität des Contrabassisten, die aber doch in sehr engen Grenzen eingeschlossen ist und mit dem Violoncell nur zu ihrem Nachteil zu wetteifern versuchen kann ... Curiosität ...“. Damit legte Jahn für ein ganzes Jahrhundert den Duktus fest, dessen sich die nachfolgende Literatur kritiklos bediente. Auch Abert schrieb: „Seine [Mozarts] letzte Einzelarie für eine Bassstimme mit obligatem Kontrabass ist bei aller Gefälligkeit ihres Charakters doch mehr als ein Kuriosum zu betrachten ...“
Köchel hatte in seinem thematischen Verzeichnis sämtlicher Tonwerke Mozarts das Urteil von Jahn ungeprüft und fast wörtlich übernommen: „... diese Arie ist [als] ein durch besondere Voraussetzungen bedingtes Gelegenheitsstück zu betrachten. Zwar gefällig, aber nicht bedeutend.“ Auch heute noch werden Jahns und Aberts falsche Behauptungen von desorientierten Musikwissenschaftlern gedankenlos wiederholt. Aber eine korrekte, dem Kunstwerk angepasste Bewertung hätte etwa lauten müssen: „Irgend etwas an der Arie stimmt nicht, allerdings ist der Fehler noch nicht erkannt.“
Die Lösung des Problems liegt im Wissen um die Skordatur (!), für die Mozart das Stück schrieb, und im Wissen um die Größe des Instruments, auf dem der obligate Kontrabass in dieser Arie gespielt wurde: Mozart schrieb die Solostimme für Pichelberger (Kontrabassist bei Schikaneder) und einen Bariton-Kontrabass mit einer kleinen Mensur (fast gleich dem Cello). Pichelberger war für sein virtuoses Flageolettspiel bekannt, und Mozart nutzte in seiner Arie KV 612 diese Fähigkeit für Akkordzerlegungen und besonders hoch liegende Töne sowie Passagen. Diese spezielle Skordatur (klingend von oben nach unten: d, A, E, G1; die oberen Saiten werden gegenüber der Normalstimmung des Kontrabasses eine Quint, die tiefste Saite nur eine kleine Terz hinaufgestimmt) bildet auch alle Intervalle – bis auf die tiefen Töne auf der untersten Saite – zwar transponiert, aber korrekt ab. Dabei werden alle Töne der originalen (Klang-)Notation (einschließlich der normalen Oktavtransposition) von Mozart spielbar; im Gegensatz zu den gedruckten Ausgaben muss keine einzige Note „umkomponiert“ werden.
Clarissa Bürgschwendtner hat über die Verwirrungen um KV 612 im Jahr 2005 am Mozarteum eine Diplomarbeit geschrieben und in Kürze wird von Clarissa und Alfred Bürgschwendtner ein Artikel in dem Buch „Irrtümer und Fehler“ erscheinen. Eine praktische Ausgabe des Notenmaterials auf dieser Basis ist demnächst im Eigenverlag Bürgschwendtner erhältlich, womit eine große Lücke geschlossen wird. Damit entsteht eine dem Erstdruck folgende Ausgabe mit verständlichen Anleitungen, welche diese hochwertige Mozartarie für gute Kontrabassisten zu einer Krönung ihrer Sololiteratur macht.
Information: E-Mail: (bassi@aon.at)