Friedrich Cerha: Späte Gesänge | Jobst Liebrecht: Australian Songs | Stefan Litwin: Über die Dinge im Land | Horst Lohse: Tree Stories | Stefan Heucke: Fünf Lieder op. 99
Neue Noten 2023/09 – Kompositionen für Stimme und Instrumente
1.
Friedrich Cerha: Späte Gesänge (2017/18) für (Mezzo-)Sopran und Klavier nach Gedichten von Tamar Radzyner (Spielpartitur).
Doblinger, Wien. D. 38 607.
Stilrichtung, allgemeiner Charakter
Teils melodisch, teils deklamatorisch geprägte Vertonungen von Gedichten Tamar Radzyners, bei denen Singstimme und schlichter, meist durchsichtig konzipierter Klaviersatz eng ineinandergreifen.
Form, Struktur
Neun Lieder mit individueller Formgebung; der zyklische Charakter der Komposition entsteht durch das Wiederaufgreifen von Ausdruckshaltungen, musikalischen Motiven und Satztechniken über alle Einzelstücke hinweg.
Notation, Dauer, Schwierigkeit
Gewöhnliche Notation ohne Besonderheiten; im Hinblick auf Dynamik, Artikulation und Ausdruck stellenweise sehr differenziert bezeichnet.
Dauer: ca. 13 Minuten.
Schwierigkeitsgrad: schwer.
Kommentar
Unter Rückgriff auf musiksprachliche Voraussetzungen der Moderne kreisen die neun Gesänge beharrlich um die Auseinandersetzung mit der Unausweichlichkeit des Todes und thematisieren die Bedeutung des Erinnerns für die persönliche Identität.
2.
Jobst Liebrecht: Australian Songs (2017–19) für Sopran und Flöte (Altflöte ad lib.) auf Gedichte von Jobst Liebrecht.
Verlag Neue Musik Berlin. NM 2959 (Spielpartituren).
Stilrichtung, allgemeiner Charakter
Nach selbst verfassten Vierzeilern komponierte, in australischem Sprachtonfall vorzutragende vokal-instrumentale Dialoge, in denen lautmalerische Aspekte der Textvertonung mit erweiterten Spieltechniken des Holzblasinstruments in Beziehung gesetzt werden.
Form, Struktur
Neun voller illustrativer Momente und Mini-Kanons steckende Stücke, die sich zu einem kontrastreichen Zyklus zusammenschließen und eine „Art Taschenbrevier einiger Vögel und Tiere“ der australischen Fauna bilden.
Notation, Dauer, Schwierigkeit
Gesangspart unter Einbeziehung von Mikrointervallen mit zahlreichen Ausdrucksnuancen zwischen Sprechen und Singen komponiert; im Flötenpart Verwendung erweiterter Spieltechniken mit selbsterklärender Notation.
Dauer: ca. 10 Minuten.
Schwierigkeitsgrad: schwer bis sehr schwer.
Kommentar
Die Komposition führt auf humorvolle Weise unterschiedliche klangfarbliche Möglichkeiten der außergewöhnlichen Besetzung zusammen und wird darüber hinaus durch theatrale Elemente wie Fußstapfen und Fingerschnipsen angereichert.
3.
Stefan Litwin: Über die Dinge im Land (2018) für tiefe Stimme und präpariertes Klavier auf einen Text von Chacheperreseneb (Übersetzung: Jan Assmann).
Verlag Neue Musik Berlin. NM 3550 (zwei Spielpartituren).
Stilrichtung, allgemeiner Charakter
In weiten Bögen ausgesponnener Klagegesang, der sich über der glockenartigen und perkussiven Klanglandschaft eines überwiegend mit Schrauben, im tiefsten Register aber auch mit Gummikeilen präparierten Konzertflügels entfaltet.
Form, Struktur
Ausgedehnte einsätzige Vertonung, die den Sinneinheiten des altägyptischen Textes von Chacheperreseneb folgt und zwischen den Einsätzen der Stimme immer wieder dem Klang des präparierten Klaviers Entfaltungsmöglichkeiten gibt.
Notation, Dauer, Schwierigkeit
Klavierpart in einem bis vier Systemen unter Einbeziehung besonderer Symbole notiert; herausfordernder Vokalvortrag mit langen Atembögen, feinen dynamischen und artikulatorischen Schattierungen sowie Sprechnuancen.
Dauer: ca. 9 Minuten.
Schwierigkeitsgrad: schwer bis sehr schwer.
Kommentar
Der besondere Reiz der Komposition liegt im Gegenüber eines weitgehend auf Textverständnis zielenden Vokalvortrags und eines durch unterschiedliche Verdichtungsprozesse und Klangverbindungen die Worte kommentierenden und vertiefenden Klavierparts.
4.
Horst Lohse: Tree Stories (2019) für Rezitation, Gitarre und Klavier auf Texte von Ursula Shields-Huemer.
Edition Gravis, Brühl. eg 2715 (Partitur und Stimmen).
Stilrichtung, allgemeiner Charakter
Teils freie, teils rhythmisch gebundene und auf Tonhöhen rezitierte Melodramen, deren poetische Texte durch ein abwechslungsreiches, im Mittelsatz auch unter Einbeziehung von Improvisation gestaltetes instrumentales Gewebe gestützt und musikalisch beleuchtet wird.
Form, Struktur
Drei individuell geformte, von rhythmischen Bewegungsverläufen durchzogene Sätze auf englischsprachige Texte von Ursula Shields-Huemer, inspiriert durch Baumgrafiken des Künstlers Caspar Walter Rauh, deren Reproduktionen der Partitur beigegeben sind.
Notation, Dauer, Schwierigkeit
Herkömmliche Notation für Sprechstimme und Gitarre; selbsterklärender Einsatz spezieller Notationssysmbole für einzelne Spielaktionen (Glissandi, Cluster, Pizzicati) im Innenraum des Konzertflügels.
Dauer: ca. 12 Minuten.
Schwierigkeitsgrad: schwer.
Kommentar
Die Verwendung freien Rezitierens in den beiden mit Gitarre und Klavier besetzten Rahmensätzen und der ausschließliche Einsatz gesprochener Tonhöhen im lediglich klavierbegleiteten Mittelsatz sorgt für eine klanglich ausgewogene Gesamtanlage der Komposition.
5.
Stefan Heucke: Fünf Lieder op. 99 (2019) für Gesang und Klavier nach Gedichten von Friedrich Hölderlin.
Schott, Mainz. Spielpartituren ED 23332 (hohe Stimme), ED 23329 (mittlere Stimme), ED 23331 (tiefe Stimme).
Stilrichtung, allgemeiner Charakter
Harmonisch reiche, in erweiterter Tonalität komponierte Lieder auf Texte Friedrich Hölderlins, deren zwischen lyrischem und dramatischem Charakter pendelnder Gesangspart mit einem oftmals vielgriffigen Klavierpart kombiniert ist.
Form, Struktur
Fünf durchkomponierte, mit wechselnden romantisierenden Ausdruckshaltungen arbeitende Vertonungen, in denen das satztechnisch wandelbare Klavier eine Reihe vielschichtiger, musikalisch bedeutsamer Gestaltungsaufgaben übernimmt.
Notation, Dauer, Schwierigkeit
Keine Besonderheiten der Notation; unter Verzicht auf erweiterte Gesangs- und Spieltechniken, aber unter Verwendung differenziert eingesetzter Dynamik und Artikulation komponiert.
Dauer: ca. 17 Minuten.
Schwierigkeitsgrad: schwer bis sehr schwer.
Kommentar
Der Zyklus erfordert erfahrene, aufeinander eingespielte Ausführende; er eignet sich für Interpret:innen, die keinerlei Erfahrungen mit erweiterten Techniken besitzen, ihre Konzertprogramme aber dennoch um ein zeitgenössisches Werk bereichern möchten.
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