Frederick II (1712–1786): Vier Sonaten für Flöte und Basso continuo: Sonata per il Flauto traverso in A minor (Spitta 21), C major (Sp.40); B major (Sp.76), B minor (Sp.83). Herausgegeben von Mary Oleskiewicz, Continuo-Aussetzung David Schulenberg. Breitkopf, Musica rara MR 2266
300 Jahre zurück gab es das wirklich: ein praktizierender und komponierender Musiker zugleich Regierungschef, Förderer der Künste ebenso wie Entscheidungsträger für Preußens Innen- wie Außenpolitik und mit gleichem Eifer immer wieder mehr oder weniger erfolgreich zu Felde ziehend: Einem solch vielseitigen „Diener des Staates“ verlieh die Geschichte den verdienten Beinamen „der Große“. Neben seinen Dienstgeschäften fand er Zeit und Gelegenheit, sich die damals führenden Musiker wie C.Ph.E. Bach, Hasse oder Graun zum gemeinsamen Konzertieren in seine Schlösser zu holen. Oder zum Unterricht seinen Lehrer Johann Joachim Quantz – der verstand sich auf die Anweisung, die Flûte traversière zu spielen.
Zeitgenossen versichern, ihr König spiele die Traversflöte exzellent und zur Vorbereitung der Kammer- und Hofkonzerte absolviere er seine täglichen Übungen „für Finger und Zunge“ (Burney). Dafür schrieb er seine eigenen Solfeggi, vier Konzerte und 121 vom Bach-Biographen Philipp Spitta registrierte Flötensonaten. Leider ist davon nur ein Teil in Hofkopien erhalten.
Vier davon, komponiert zwischen 1733 und 1756, hat die Bostoner Flötistin und Musikwissenschaftlerin Mary Oleskiewicz ausgegraben und zum kürzlichen 300. Geburtstag des Preußenkönigs erstmals in einer praktischen Edition herausgebracht (weitere Sonaten spielte sie auf CD bei Hungaroton ein). Sie stützt sich dabei auf verschiedene zu Friedrichs Lebzeiten gefertigte Abschriften.
Im Vorwort erfahren wir geschichtliche Zusammenhänge, im kritischen Bericht sind die Editionsprobleme kommentiert. In der frühen Sonate Nr. 21 (nach Spittas Werkverzeichnis) zeigt der 21-jährige Kronprinz kompositorisch freilich einen noch bescheideneren Zuschnitt und vernachlässigt die Bass-Linie.
Die dieser Edition im Übrigen doppelt beigegebenen Solostimmen enthalten den B.c. unausgeführt, während die Ausführungsvorschläge „nach den Regeln von C.Ph.E. Bach und Quantz“ im großzügig gestalteten Notenbild der Klavierpartitur zu finden sind.
Alle Sonaten haben ein fast gleiches Konzept: einer langsamen rezitativartigen Einleitung folgen zwei lebhafte Sätze. Die anspruchsvoller geratenen Sonaten 40, 76 und 83 haben ihren eigenen Charakter, sind von musikantischer, konzertant-virtuoser Natur, besonders Nr. 83 verlangt spielfreudig perlende Läufe, die Betonung rhythmischer Akzente, da und dort Echowirkungen und natürlich mehr Verzierungen als vorgegeben. Diese vier Sonaten aus der Hochzeit des Barocks sind Liebhaberliteratur in Profiqualität. Hierbei mag dem komponierenden König auch Händel ein wenig Pate gestanden haben.