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Perfekte Balance zwischen Lyrik und Musik

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Naxos veröffentlicht seine Deutsche Schubert-Lied-Edition, Band 1 bis 3
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Alle Welt feiert Bach – und Naxos lässt Schubert erscheinen, die ersten drei Folgen der „Deutschen Schubert-Lied-Edition“, künstlerische Gesamtleitung: Stefan Laux, Pianist aus Ludwigsburg und Vorsitzender der süddeutschen Schubert-Gesellschaft, und Ulrich Eisenlohr, international renommierter Liedbegleiter, der außerdem eine Liedklasse an der Mannheimer Musikhochschule unterrichtet. Muss so viel Schubert sein? Immerhin: Die „Deutsche Schubert-Lied-Edition’’ ist die erste vollständige Alternative zu Graham Johnsons großer Gesamtausgabe „The Hyperion Schubert Edition“.

Franz Schubert: Winterreise (Deutsche Schubert-Lied-Edition 1); Roman Trekel (Bariton), Ulrich Eisenlohr (Klavier); Naxos 8.554471.Franz Schubert: Schwanengesang (DSLE 2); Michael Volle (Bariton), Ulrich Eisenlohr (Klavier), Sjön Scott (Horn); Naxos 8.554663. Franz Schubert: Goethe-Lieder, Vol. 1 (DSLE 3); Ulf Bästlein (Bariton), Stefan Laux (Klavier); Naxos 8.554665. Alle Welt feiert Bach – und Naxos lässt Schubert erscheinen, die ersten drei Folgen der „Deutschen Schubert-Lied-Edition“, künstlerische Gesamtleitung: Stefan Laux, Pianist aus Ludwigsburg und Vorsitzender der süddeutschen Schubert-Gesellschaft, und Ulrich Eisenlohr, international renommierter Liedbegleiter, der außerdem eine Liedklasse an der Mannheimer Musikhochschule unterrichtet. Muss so viel Schubert sein? Immerhin: Die „Deutsche Schubert-Lied-Edition’’ ist die erste vollständige Alternative zu Graham Johnsons großer Gesamtausgabe „The Hyperion Schubert Edition“. So verlockend die Aufgabe, so groß ist auch die Herausforderung für die Herausgeber, dem Schubert’schen Mammut-Œuvre zu Leibe zu rücken. Johnson hatte nach Themenkreisen geordnet: Natur, Tod, Liebe. Eine mögliche, aber zwangsläufig willkürliche Einteilung. Wer von enttäuschter Liebe singt und sich den Tod herbeiwünscht, wer enthusiastische Frühlingsgefühle mit den entsprechenden Naturschilderungen illustriert: Wohin mit diesen Schnittmengen?

„Unser Konzept basiert darauf, dass wir anordnen nach ‚Dichtern und Dichtergruppen‘, erklärt Mitherausgeber Ulrich Eisenlohr, „da gibt es natürlich erst mal die drei Zyklen, dann die große Anzahl der Goethe-Lieder, Schiller-Lieder, als dritten meist vertonten Dichter Johann Mayrhofer. Dann hat Schubert ja auch viele seiner Zeitgenossen und Freunde aus dem Wiener Freundeskreis vertont, die bekanntesten Schober, Seidl, Spann, Leitner. Es gibt eine Gruppe mit norddeutschen Dichtern, eine mit Hochromantikern, eine mit Dichtern aus dem ,Göttinger Hainbund’ und so weiter.“ Was, so Eisenlohr, zu interessanten Einsichten führt: „Wenn man anfängt, so zu sortieren, bemerkt man, dass Schubert seinen Kompositionsstil angepasst hat an die Dichter und Dichtergruppen.“

Beispiel: Goethe-Lieder. Die ersten 24 singt der Bariton Ulf Bästlein, begleitet von Stefan Laux (Klavier). Darunter sind „Superhits“ wie das „Heidenröslein“, „Der König in Thule“, dichte letzte Worte wie „Wandrers Nachtlied I und II“.

Selbst in diesen knappen Goethe-Texten nimmt Schubert sich die Freiheit, einige Textveränderungen vorzunehmen. Aus „Entzückung“ wird „Erquickung“, aus „füllst“ „füllest“, aus den „Vöglein“ die „Vögelein“. Darüber gibt hier, wie auch sonst, das, von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, sorgfältig editierte Booklet Auskunft. „Es ist manchmal sehr aufschlussreich zu schauen, was Schubert verändert hat und warum er es verändert hat“, sagt Eisenlohr.

Schubert hat fast gleich viele Schiller-Vertonungen wie Lieder nach Goethe-Texten komponiert. Populär geworden sind nur die Goethe-Vertonungen. Eisenlohr glaubt, den Grund zu kennen: „Das hat natürlich sehr viel zu tun mit der Art und Weise, wie verschieden die zwei gedichtet haben. Goethe als der in seiner Lyrik doch sehr emotionale Dichter: mit dem hatte Schubert als Komponist wohl wesentlich weniger Schwierigkeiten als mit diesem doch sehr stark vom Gedanken und Intellekt her kommenden Schiller.“ Beispiele? „Der ,Erlkönig’ ist eine Komposition wie aus einem Guss. Stellt man dagegen den ,Taucher’ oder ,Die Bürgschaft’, diese langen Balladen: da kommen Rezitativ, Arioso, wieder ein Rezitativ, dann kommt ein durchkomponierter Teil: das ist wie ein Blick in Schuberts Werkstatt.“

Bästlein/Laux gelingen innige Momente, und „Der Schatzgräber“ ist eine köstlich-launige Interpretation. Dafür hat man den Mond Busch und Tal schon geheimnisvoller füllen hören mit Nebelglanz. Wer je die amerikanische Sopranistin Barbara Bonney mit dem „Heidenröslein“ hat brillieren hören, weiß, was an Dramatik hier möglich ist. Bästlein/Laux bleiben dagegen in mittleren Ausdruckslagen. Was den Dornen manche Spitze nimmt und dem Röslein letzte, existenzielle Tragik raubt. Die stellt sich dafür ein beim Erstling der „Deutschen Schubert-Lied-Edition“. Es ist, standesgemäß, die „Winterreise“ und entspricht ganz Eisenlohrs künstlerischem Credo:

„Den allergrößten Wert lege ich genau auf die Kombination aus Text und Musik. Ich denke, dass es wirklich keinen anderen Komponisten gibt, außer Wolf, bei dem die Balance zwischen Lyrik und Musik so perfekt ausgewogen ist. Man muss die Musik sehr gut verstehen auf dem Hintergrund und als vom Text ausgelöst. Man muss sehr schön singen und man muss das Gefühl haben, dass die Leute eine Botschaft rüberzubringen haben.“ Die Botschaft: kein Ort nirgends, kein Trost nirgends, überall klirrt Kälte, eine Reise ins Innere, die Frösteln macht mit dem Protagonisten. Entscheidenden Anteil daran haben, neben Schubert, Roman Trekel (Bariton) und Eisenlohr (Klavier) selbst. Stimmungswechsel gelingen innerhalb der Lieder. Mal wird Feuer gemacht, mal, wenn das Grauen am größten, das Tempo verlangsamt, zum Zerreißen gespannt. Trekels kerniger Bariton verlängert das Leiden, Eisenlohr zieht am Klavier den düsteren Hintergrund aus. Schuberts „Schwanengesang“, Lieder nach Texten von Ludwig Rellstab, Heinrich Heine und Johann Gabriel Seidl, singt mit Eisenlohr der Bariton Michael Volle. Vorneweg drei Lieder nach Rellstab-Texten, vor allem „Auf dem Strom“, wo Sjön Scott, Solohornist der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, Balsam für die Ohren bläst: Wie das strömt und wogt und zum Sternenzelt hinzieht.

Die Auswahl der Sänger/-innen besorgen Laux und Eisenlohr selber, darunter lange gepflegte künstlerische Verbindungen, aber längst nicht nur. „Wir glauben“, so Eisenlohr, „dass es gerade in der jüngeren, deutschsprachigen Sängergeneration zwei, drei Dutzend absolut hoch-qualifizierte junge Leute gibt, die noch nicht so große Chancen gehabt haben, sich einem breiteren Publikum vorzustellen. Denen möchten wir auch eine Chance geben mit dieser Reihe.“

Wert legt das Herausgeberduo darauf, dass alle Mitwirkenden Deutsch als Muttersprache sprechen. Denn dann „sind das Verständnis und die Einfühlung, auch die Färbung im Gesang doch wesentlich erleichtert“, glaubt Eisenlohr. Und weiter: „Die Frage ist, ob jemand, der nicht mit Deutsch als Muttersprache aufgewachsen ist, so einen tiefen emotionalen Bezug zu dieser Sprache, zu ihrer Poesie, zu ihrer Emotionalität finden kann wie jemand, der einfach diese Worte, diese Bilder, diese Metaphern benutzt, seit er die Zunge bewegt.“ Überzeugen Liebeserklärungen und Verzweiflungs-Furiosi vorrangig in der Muttersprache? Wir sind gespannt auf die nächsten drei Folgen der „Deutschen Schubert-Lied-Edition“. Sechs pro Jahr sollen erscheinen, sie bis 2005 vollständig vorliegen. So viel Schubert muss sein.

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