M.G. Scholl: Ciaconna per violino, Tonger 2003, 2837-1 P.J.T.
Urgewaltig, diese Ciaconna. Auf dem Laufsteg entfacht ihr Erscheinen Atemlosigkeit, betäubte Leidenschaft. Sie wiegt ihre Hüften nicht tänzelnd, sondern eher mit kräftig wippendem Bogengang, die Polyphonie suchend, sich verlegen im Kreise drehend, eine thematische Transformation durch die vielfältigen Möglichkeiten eines Streichinstrumentes, und in dieser visionär spröden Endlosigkeit schüchtern den Bachschen Mantel festhaltend.
Obwohl in der dreiteiligen Form, Tonart, Gestus und Aufbau dem geistigen Übervater angenähert, entgleitet ihr der barocke Mantel doch verführerisch, darunter erscheint ein faszinierend schräges Lagerfeld-Outfit, sozusagen eine Akkordkombination aus hellgrüner und rotweiß-gestreifter Pippi-Langstrumpf-Socke zum schwarzen Abendkleid. Scholl wurde 1964 geboren und kann bereits auf zahlreiche Aufführungen und Rundfunksendungen seiner Werke zurückblicken. Auch diese Ciaconna wurde vom WDR aufgenommen. Also, lieber Karl Lagerfeld, hier mein Spezialtipp für die Bühnenmusik zur Vorstellung ihrer nächsten Frühjahrskollektion.
J.S. Bach: Konzert in d-Moll für 2 Violinen, Klavierauszug, eingerichtet und mit aufführungspraktischen Hinweisen versehen von Andrew Manze, Bärenreiter 2003, BA 5188a
Früher, in meinen Studentenjahren, war mal Henle der Mercedes unter den Urtextausgaben. Inzwischen hat Bärenreiter in der Produktentwicklung rasant aufgeholt und darf nun für sich beanspruchen, der BMW (Bärenreiter Mach Weiter) zu sein. Im Jahre 2001 verlegte Bärenreiter einen neu gestochenen Klavierauszug sowie die Solo-Stimmen zu Bachs d-moll-Doppelkonzert nach der „Neuen Bach-Ausgabe“.
Die nun erschienene erweiterte Ausgabe bietet nicht nur die beiden Solo-Violinstimmen mit dem Urtext der Neuen Bach-Ausgabe an, sondern darüber hinaus zwei zusätzliche Stimmen, die von dem herausragenden Geiger und renommierten Barockspezialisten Andrew Manze mit Fingersätzen und Strichbezeichnungen eingerichtet wurden.
Als BMW-Sonderlackierung enthält diese Ausgabe Hinweise Manzes zur historischen Aufführungspraxis, die Fragen wie Instrumenten-, Bogenhaltung und andere behandeln. Analystenbewertung: Value-Investment, buy and hold, und am besten niemals wieder hergeben.
O. Sevcik: Violin Studies op.1/4, Bosworth 2000, BOE 005049
Urtechnisch, ein Klassiker, sozusagen der Dinosaurier unter den Technik-Studien. Die Originalausgabe erschien Anfang der 20er-Jahre, trägt deutlich sichtbare Altersfalten im Gesicht, sowohl im äußeren Erscheinungsbild des Notenstichs und Seitenlayouts als auch in der Wortwahl.
Da half nur noch ein komplettes Lifting mit Macheten und Brandrodung: hokus, pokus… wow, heraus kam eine attraktive Ausgabe mit modernisierter Notenschrift, zeitgemäßem Layout, Fehlerbeseitigung und sprachlich aktualisierten Übe-Anweisungen. Dino, Dein Überleben ist gesichert!
T. Albinoni: Concerto II op. 2/4, Klavierauszug H. Bergmann, Edition Kunzelmann 2002, GM 306a
Und welches Vivaldi-gesättigte Lehrerohr mal Hörabwechslung braucht, der liegt bei Albinonis e-Moll-Violinkonzert genau richtig. Das op. II trägt die Bezeichnung „sinfonie e concerti a cinque“, damit hat man seit Vivaldi Konzerte für Violine mit vierstimmigem Streichorchester (+ Bc.) bezeichnet.