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Das Bühnenmodell zu Luigi Nonos „Intolleranza“, die eine große Eisenskulptur in den Mittelpunkt stellt, in der sich die Protagonisten verfangen – in Anlehnung an Vedovas eigenes Bild „Konzentrationslager – Menschen und Stacheldraht“ von 1950 (Venedig, Tea
Das Bühnenmodell zu Luigi Nonos „Intolleranza“, die eine große Eisenskulptur in den Mittelpunkt stellt, in der sich die Protagonisten verfangen – in Anlehnung an Vedovas eigenes Bild „Konzentrationslager – Menschen und Stacheldraht“ von 1950 (Venedig, Tea
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Kühne Bilder zu den Tragödien des Hörens

Untertitel
Ein Konzert des Ensembles „work in progress“ beleuchtete die fruchtbare Zusammenarbeit Luigi Nonos mit Emilio Vedova
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Musik beginnt da, wo das Wort verstummt, ist die gängige Auffassung, doch die Übersetzungsmöglichkeit zwischen den nicht-diskursiven Künsten, zwischen Klang und Bild, war schon immer ein alter Künstlertraum. Vor allem zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, auf der Suche nach neuen, grenzüberschreitenden Wegen, häuften sich die synästhetischen Experimente – erwähnt seien die gemalten Sonaten eines Ciurlionis, die Farblichtmusiken von Alexander Skrjabin oder Alexander Laszlo, die Anregungen, die Wassilij Kandinsky von Schönbergs früher Atonalität für seine abstrakten Farb- und Linienkompositionen empfing. Definierte Skrjabin die Farbe als Bindeglied beider Künste, so weitete der von ihm beeinflusste Iwan Wyschnegradsky dies in extravagante Raumkonzeptionen aus. Dagegen zeigt sich das Farbenhören Olivier Messiaens als eher immanente Qualität, die sich lediglich in der ausgeprägten Leuchtkraft seiner Musik und weniger konzeptionell niederschlägt.

Selten aber haben Maler und Musiker so konkret aufeinander Bezug genommen wie die Freunde Emilio Vedova und Luigi Nono. Aspekte ihrer langjährigen fruchtbaren Zusammenarbeit vermittelte Gerhardt Müller-Goldbohm mit seinem Ensemble „work in progress“ im Rahmen der Retrospektive, mit welcher die Berlinische Galerie den venezianischen Maler und Bildhauer gut ein Jahr nach seinem Tode würdigte. „Künstler der Rebellion“ hatte man den Hauptvertreter der italienischen „informellen Malerei“ (oder auch des „Abstrakten Expressionismus“) der Fünfziger und Sechziger Jahre genannt, und nicht nur dies eint ihn mit dem Komponisten-Freund. Ihr erstes Projekt war „Intolleranza 60“; Vedova schuf das Bühnenbild zu Nonos „azione scenica“. Im Zentrum der Bühnengestaltung stand eine riesige, scharf gezackte Eisenskulptur, gewissermaßen das Gitter, in dem sich die Protagonisten – der Flüchtling, seine Gefährtin, ein Gefolterter et cetera – verfangen, aus dem sie nicht ausbrechen können. Vedova greift dabei auf ein früheres Werk zurück: „Konzentrationslager – Menschen und Stacheldraht“ heißt sein Bild von 1950, das ebenso brutale Gewalt wie den Schmerz und die Verletzbarkeit der Opfer ausdrückt. Auch in dem folgenden Zyklus „Protest 52 – 54“ mit dem Untertitel „Zeitgenössische Kreuzigung“ zeigt sich Konfliktschärfe allein schon in der Formensprache und wird das Leiden in einem überraschend sakralen Bezug deutlich. Doch nicht nur solche Inhaltlichkeit verbindet Vedova mit Nono. Gleichzeitig geht es um die Erweiterung der Mittel, auch im Sinne der Verwendung neuester Techniken, um neue ästhetische Erfahrungen zur Schärfung und Verfeinerung der Wahrnehmung. Für „Intolleranza“ entwickelte Vedova ein Projektionssystem, das unter anderem durch handbemalte Glasplättchen eine Fülle von Bildern nicht nur auf die Bühne, sondern auch in den Zuschauerraum warf; zusammen mit der von allen Seiten einfließenden elektronischen Musik sollte das Publikum einer totalen Überlagerung von Klang, Bild und Schauspiel ausgesetzt, damit ein Teil der Handlung werden. Zur Weltausstellung in Montreal 1967 perfektionierte Vedova dieses Verfahren: Die farbigen Plättchen aus Muranoglas projizierten über vierzehn elektronische Apparate ein Licht, das von einem rotierenden und frei schwebenden Plurimo – ein asymmetrisches, räumliches Element – reflektiert und von Leinwänden und Paneelen vielfach gebrochen wurde. In vielfältigen Aspekten nahm die Lichtinstallation auf das Thema „Widerstand“ Bezug. „Parete“ (Wand) heißt das dazugehörige Musikwerk, das Marino Zuccheri, die graue Eminenz des legendären „Studio di Fonologia“ des italienischen Rundfunks „RAI“, mit elektronischem Material von Nono ausarbeitete – übrigens mit der Maßgabe, es möglichst unkenntlich zu machen. Es handelt sich hier um ein Klangkontinuum aus 24 unterschiedlichen Klangquellen (eine Bandschleife), das sich auf zufällige Weise mit dem visuellen Teil überschnitt. Die Bilder und Klänge in Bewegung stoßen auf ein sich im Raum bewegendes Publikum, das so zum aktiven Bestandteil dieses vielfach gebrochenen „Gesamtkunstwerks des 20. Jahrhunderts“ wird. Natürlich konnten in Berlin trotz Gelegenheit zum Ausstellungsrundgang all diese Komponenten nicht wahrgenommen werden. Doch faszinierte „Parete“ in der Klangregie von Andre Bartetzki immer noch als kraftvolle Kreisbewegung metallischer Klangfarben hoch über den Köpfen der Zuhörer, mit verblüffenden Entsprechungen zu den raumgreifenden, im massFarbauftrag nicht minder wild bewegten Halbskulpturen („Dischi“) des Malers und in ihrer „unreinen“ Herkunft vom konkreten Alltagsgeräusch eindrucksvoller Gegenentwurf zur aseptischen, „tabula rasa“ betreibenden Elektronik eines Stockhausen.

Wie Vedova mit seinen „Plurimi“, riesigen, das Rechteckformat aufgebenden Gebilden zwischen Gemälde und Skulptur, immer kühner in den Raum vorstößt, so Nono mit weiträumig verteilten elektroakustischen oder natürlichen Schallquellen. Die gemeinsame Tradition venezianischer Mehrchörigkeit könnte dies inspiriert haben. Den Höhepunkt ihrer Zusammenarbeit stellt 1984 die Uraufführung von „Prometeo“ in der ehemaligen Kirche San Lazzaro in Venedig dar. Hierfür ließ Nono den Architekten Renzo Piano eine Bühnenbildstruktur als „musikalischen Raum in Form eines Archipels“ schaffen, während Vedova die Lichtregie übernahm. Doch während „Intolleranza“ noch auf eine Totalität der Mittel und ihrer sinnlichen Wahrnehmung abzielt, ist der Ansatz dieser „Hörtragödie“ bewusst fragmentarisch gewählt, als Absage an jegliche Systematik zu verstehen.

Fragmentarisch, dem Uneindeutigen verpflichtet auch die Ästhetik von „Guai ai gelidi mostri“ (Wehe den kalten Ungeheuern) für zwei Altistinnen, Instrumentalensemble und Live-Elektronik, im Vorfeld zu „Prometeo“ entstanden. Die Textfassung des Philosophen Massimo Cacciari – des heutigen Bürgermeisters von Venedig – stellt Fragmente aus Texten von Friedrich Nietzsche, Lucrez, Ezra Pound, Ovid, Rilke et cetera zusammen, Texte in verschiedenen Sprachen, die durch die Musik noch weiter fragmentiert werden. In einer Einführung weist Nono selbst auf die Verbindung mit Vedovas Zyklus „Karneval“ hin, aus dem vier Teile im Programmheft der Uraufführung in Köln 1983 abgedruckt wurden, mit den Titeln: „In Tyrannos“, „Lemuria“, „Das große Nichts der Tiere“, „Entwicklungsfremdheit“. Beide Künstler faszinierte am Karneval die Dynamik und Leidenschaft, das Unschickliche und Leidenschaftliche, das Zügellose, das alles möglich sein lässt, wenn auch nur in wenigen Stunden. Doch was „ein anderes Abenteuer“ sein sollte, „am offenen Meer bis zu Prometheus“, zeigt sich in der Komposition als verhaltenes, fragiles, hochgefährdetes Klanggespinst: Fast unmerklich, nur klangfarblich wahrnehmbar sind die Stimmen von Dorothe Ingenfeld und Ulrike Bartsch, von Live-Elektronik zum imaginären Chor aufgefüllt, in den Gesamtklang eingebettet, aus dessen zart diffusem Brodeln scharfe Trompetenlinien, knirschender Bogendruck der Streicher, röchelnde Tuba und schwarzleuchtend unterlegte Bassklarinette hervortreten. Aufschreie, heftige Akzente tragen zur Strukturierung dieses gestauten Klangflusses bei, dem Quinten und Quarten, Atemgeräusche und Naturtöne etwas Archaisches geben. An Sensibilität und Nuancenreichtum ist das nicht zu überbieten, auch den mannigfachen Grauschattierungen in Vedovas viel grobkörnigerer Malerei weit überlegen. Auch Nonos eigene „Omaggio a Vedova“ – 1960 als seine erste elektronische Komposition geschrieben – fesselt zwar durch spannungsvolle Dichte, wirkt aber doch ein wenig starr gegenüber dem späten Werk, was auch der noch schwerfälligen Technik geschuldet sein kann: Riesige Schränke bevölkerten noch über zwanzig Jahre später bei der Berliner „Prometeo“-Aufführung den Kammermusiksaal, führte Müller-Goldbohm aus. Die heutige Laptop-Generation kann sich das gar nicht mehr vorstellen.

Zwischen diese „Hör-Visionen“, deren Komplexität sich nur erahnen ließ, hatte Müller-Goldbohm zur Ehrung beider Künstler Nonos „Sarà dolce tacere“ für acht Vokalsolisten (1960) gestellt. Hier fehlt der Bezug auf den Maler, doch die strenge spröde Schönheit dieser extrem gelagerten Gesänge, die das Vocalconsort Berlin mit hohem Engagement bewältigte, ließ den leidenschaftlichen, manchmal fast gewalttätigen Gestus vieler Bilder und Reliefs umso mehr hervortreten.

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