Mit einem Appell zur Geschlossenheit hat sich im Vorfeld der Landtagsanhörung am 16. Oktober der Landesmusikrat Baden-Württemberg an die Rektoren der fünf Musikhochschulen gewandt. In einem offenen Brief fordert LMR-Präsident Hermann Wilske die Hochschulverantwortlichen dazu auf, sich nicht auseinanderdividieren zu lassen und das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen.
Am 16. Oktober wird im Baden-Württembergischen Landtag eine „Anhörung zur Weiterentwicklung der Musikhochschulen“ stattfinden.
Der Offene Brief im Wortlaut:
Offener Brief des Landesmusikrats Baden-Württemberg e.V. an die fünf Musikhochschulen im Land
08.10.2013
Sehr geehrte Rektorinnen und Rektoren,
seit Ende des Sommersemesters 2013 wissen wir von Plänen des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst, die sich mit der Neuordnung der Musikhochschullandschaft befassen. Heute, gut ein halbes Jahr später, kann man festhalten:Während der Widerstand gegen die Fusion der beiden SWR-Orchester sich noch weitgehend in den Feuilletons von Tageszeitungen vollzog, hat der Protest gegen die geplanten Kürzungen bei den Musikhochschulen weite Teile der Gesellschaft erreicht – dies naturgemäß besonders dort, wo Standorte bedroht sind. Kommunen, Städte und Gebietskörperschaften haben ebenso ihre Stimme erhoben wie unzählige Einzelpersönlichkeiten, schließlich auch der Landesmusikrat mitsamt vielen seiner Mitgliedsverbände, die allein schon weit über 1 Million Bürgerinnen und Bürger dieses Bundeslandes repräsentieren.
Die Antwort aller Genannten lässt sich rasch auf den Punkt bringen:
Viele Menschen in Baden-Württemberg wollen nicht, dass etwa Trossingen zur Akademie herabgestuft wird. Sie wehren sich gegen den Verlust des Jazz in Stuttgart oder aber gegen das Verschwinden des Klassik-Angebotes in Mannheim.
Weil sie spüren, dass die fünf Musikhochschulen etwas damit zu tun haben, wie man in diesem Land zusammenlebt, wie man hier daheim ist. Weil die fünf Musikhochschulen mit ihrer nahezu flächendeckenden Ausrichtung in Baden-Württemberg exakt der Spiegel dessen sind, was das einzigartige Musikleben aus Laienmusik und Hochkultur als Bezugspunkt unabdingbar braucht. Weil die fünf Musikhochschulen keinen Luxus darstellen, sondern unverzichtbare Basis dessen sind, was die unvergleichliche kulturelle Identität dieses Bundeslandes ausmacht.
„Nein“ gesagt gegen diese Pläne haben viele betroffene Menschen, und das so deutlich, wie nur selten in der Geschichte dieses Bundeslandes.
Wenn es in den nächsten Wochen, liebe Rektorinnen und Rektoren, zur Anhörung kommt und schließlich über Lösungen nachgedacht wird, dann sei Ihnen nahegelegt:
Lassen Sie sich nicht auseinanderdividieren! Niemand weiß so gut wie Sie, welche Einsparmöglichkeiten Profilierung, nicht jedoch Entkernung einer Hochschule bedeuten. Niemand weiß so gut wie Sie, dass das angedachte Einsparvolumen von vier Millionen Euro einerseits eine Petitesse im Gesamtetat des Wissenschaftsministeriums darstellt, andererseits allein schon mit Blick auf neue Aufgaben, welche die Musikhochschulen übernehmen sollen, illusorisch ist, selbst wenn beispielsweise über Studierendenzahlen durchaus verhandelt werden kann. Niemand vermag so kenntnisreich wie Sie ermessen, welche Kooperationsmöglichkeiten zwischen einzelnen Hochschulen möglich sind – ein Bereich, der bislang noch gar nicht thematisiert worden ist. Umso vordringlicher ist es, zunächst überhaupt einmal exakt zu fixieren, wie das zukünftige Aufgabenfeld der fünf Musikhochschulen beschaffen sein soll.
Zwei elementare Prämissen, mit denen die neue Landesregierung angetreten ist, sind die politische Teilhabe gesellschaftlicher Instanzen und die im Koalitionsvertrag formulierte Absicht, „mehr“ für die Kultur zu tun. Wer diese Prämissen umsetzen will, kann eigentlich nicht daran vorbeikommen, den fünf Musikhochschulen jetzt ein Vorschlagsrecht einzuräumen.
Darum: Nehmen Sie das Heft des Handelns in die Hand! Der Landesmusikrat Baden-Württemberg bittet Sie, ein solches politisches Mandat einzufordern. Er wird Sie mit all seinen Kräften bei Lösungen unterstützen, die zur Bewahrung und Stärkung der singulären Musikkultur dieses Bundeslandes beitragen.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Hermann Wilske