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Auch die Kulturschaffenden müssen sich bewegen

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Kultursponsoring aus der Sicht der Wirtschaft · Ein Gespräch mit Ludger Hünnekens
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Den Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI gibt es seit 1951. Man kann ihn als eine „Kooperative von Mäzenaten“ bezeichnen. Mit ihren Mitgliedsbeiträgen finanzieren die über 400 Wirtschaftsunternehmen der unterschiedlichsten Branchen, die dem gemeinnützigen Verein angehören, zahlreiche Projekte verschiedener Kultursparten, im Musikbereich vor allem Wettbewerbe für junge Instrumentalisten und Komponisten. Der Kulturkreis sieht sich aber auch als Sprecher der deutschen Wirtschaft im kulturellen Bereich und wird zunehmend kulturpolitisch aktiv. So entstanden in den letzten Jahren aus dem Kulturkreis heraus mehrere kulturpolitische Initiativen mit unterschiedlichen thematischen Ausrichtungen, unter ihnen der Arbeitskreis Kultursponsoring (AKS). Der Geschäftsführer des Kulturkreises und gleichzeitig auch des AKS, Ludger Hünnekens, beantwortete in einem Gespräch Fragen zum Thema Sponsoring aus der Sicht der Wirtschaft. nmz: Was ist und was tut der AKS? Hünnekens: Der AKS wurde Ende 1996 vom Kulturkreis der deutschen Wirtschaft ins Leben gerufen. Für das Thema Kultursponsoring gab es bis dahin aus Sicht der Wirtschaft noch kein Forum. Der AKS will Anlaufstelle sein, an der man die vielen Initiativen, die es schon gibt, konzentriert bündelt und Erfahrungen austauscht, um dieses Instrumentarium der Unternehmenskultur und Unternehmenskommunikation noch zu verbessern. Ihm gehören inzwischen über 50 Firmen an, die Kultursponsoring betreiben. Das ist ein repräsentativer Querschnitt durch alle Bereiche der Wirtschaft. Insofern sind wir auch legitimiert zu sagen: Wir sprechen für die Sponsoren im Bereich des Kultursponsorings in Deutschland. nmz: Der AKS betreibt aber selbst kein Sponsoring? Hünnekens: Nein, wir verstehen uns als ein Forum, das dazu dient, untereinander in der Wirtschaft Informationen auszutauschen und Ansprechpartner für die Öffentlichkeit zu sein. Wir haben keine Rechtsform. Die Teilnehmer müssen etwas dafür bezahlen, daß wir den AKS am Leben halten können. Wir sind mit unseren Mitteln aber nicht in der Lage, selbst als Sponsor aufzutreten. Das wäre auch schädlich für den Beitrag, den der AKS leisten soll, weil wir dann sofort unsere Neutralität verlören und in Interessenkonflikte gerieten. Was die einzelnen Unternehmen jeweils für sich machen, ist deren Entscheidung. nmz: Einer der Beweggründe, den AKS ins Leben zu rufen, war die Steuergesetzgebung im Bereich Sponsoring. Sie haben sich damals zusammen mit anderen Institutionen und Einzelpersonen gegen die Regelung gewehrt, daß Kulturinstitutionen unter bestimmten Umständen Sponsorgelder als Einnahmen aus wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb versteuern sollten. Der Protest hat eine Erweiterung des Erlasses zugunsten der Kultur bewirkt. Gibt es inzwischen Erfahrungen, wie in der Praxis mit der Auslegung des Erlasses umgegangen wird? Hünnekens: Erst 1999 werden die ersten Bescheide kommen. Dann werden wir sehen, ob die Rechnung aufgeht. Auf jeden Fall wird seit der Korrektur des Sponsoring-Erlasses auch in den Finanzämtern mit anderen Augen geprüft. Es geht darum, ein Geschäft so zu professionalisieren, daß beide Seiten zu ihrem Benefit kommen. Die Empfängerseite darf nicht auch noch dafür bestraft werden, daß man intelligent einen Sponsor akquiriert hat. Auch da muß der Fiskus natürlich andere Ermessenskriterien anwenden, nicht nur Sonntagsreden formulieren, sondern auch wirklich umsetzen. In der Korrektur des Erlasses ist das tatsächlich auch möglich. Der noch etwas dehnbare Bereich der Beteiligung an der Werbemaßnahme des Sponsors ist in der Auslegbarkeit jetzt so formuliert, daß er pro Kultur anwendbar ist. Da sind wir zuversichtlich. nmz: Wie sehen Sie, wie sieht der AKS das Verhältnis zur öffentlichen Hand? Übernehmen Sie durch das Kultursponsoring die Verpflichtung des Staates zur Kulturförderung? Hünnekens: Sicher nicht! Es darf nicht Sache der öffentlichen Seite sein, sich zurückzuziehen und zu erwarten, daß die private Seite einspringt. Wir sind ein Kulturstaat und zahlen unter anderem dafür hohe Steuern. Die sogenannte Grundversorgung muß Sache der öffentlichen Hand sein, und die private Seite kann nur einen ergänzenden Beitrag leisten. Insofern fühlt sich die Wirtschaft nicht von vorneherein aufgerufen, die Kulturfinanzierung zu tragen. Aber wir sind natürlich aufgefordert, einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten, wenn es mit öffentlichen Mitteln allein nicht mehr zu schaffen ist, um das hohe Niveau in der Kultur, das wir erreicht haben, auch zu halten. Ehrenkodex zum Sponsoring nmz: Der AKS hat ein Positionspapier mit zehn Thesen zum Kultursponsoring herausgegeben, das von der Presse gleich als “Ehrenkodex“ der deutschen Wirtschaft aufgenommen wurde. Unter anderem betonen Sie hier die Bedeutung der künstlerischen Freiheit und der Autonomie von Kulturschaffenden. Wie sieht es in der Praxis mit der Einflußnahme des Sponsors auf künstlerische Inhalte aus? Hünnekens: Daß wir die Autonomie der Kunst so deutlich auf die Fahnen schreiben, ist eigentlich selbstverständlich, aber es ist auch die Reaktion auf ein Mißverständnis. Es wird immer wieder auch auf Seiten der Kultur unterstellt und zum Teil auch böswillig mißgedeutet, daß das Engagement der Wirtschaft im Kultursponsoring allein dem Zweck dient, den Partner unter den Tisch zu ziehen und den eigenen Vorteil durchzuboxen. Das ist nicht das Motiv. In dem Moment, wo Sie tatsächlich die Autonomie des Kulturinstituts in Frage stellen oder auch den Freieheitsradius eines Künstlers einengen, arbeiten Sie vollkommen kontraproduktiv. Denn wenn das öffentlich kommuniziert wird, erreichen Sie genau das Gegenteil von dem, was Sie wollen. Natürlich finden inhaltliche Gespräche über Projekte statt. Aber sicherlich sagt kein Sponsor: Komponier im letzten Satz mal einen anderen Drive, weil das für uns gut ins Finale paßt. Das geht nicht, und wenn der Künstler das Gespräch dann noch weiterführt, ist er selber schuld. Was stattfindet, ist ein Informationsaustausch, zumindest, wenn die Sache gut läuft. Ich muß doch als Unternehmer wissen, was passiert. Weil ich neugierig bin und natürlich die Synergien herausarbeiten muß, um davon zehren zu können. Auch die gut nachvollziehbaren Assoziationen wie Innovationsfreude, kreatives Denken, Querdenken, die Sie aus der Kultur schöpfen können, erleben Sie natürlich nur, wenn Sie kommunizieren. Also muß ein Gespräch stattfinden, aber nicht mit dem Ziel zu indoktrinieren. Umgekehrt wird auch die Kulturseite im Gespräch mit dem Unternehmer eine neue Welt kennenlernen. Davon profitieren beide Seiten. Natürlich finden sogenannte Einflußmaßnahmen dadurch statt, daß ich ein bestimmtes Projekt fördere und ein anderes nicht. Das ist aber keine Beeinflussung, sondern ein Auswahlverfahren, das die öffentliche Seite genauso betreibt. Es bleiben ja genug förderungswürdige Kulturinitiativen auf der Strecke, weil irgendein Amtsmann in einer Kommune sagt: Das paßt uns nicht in den Kram. Dabei hat die öffentlichen Seite den gesellschaftlichen Auftrag, Nischenkultur zu fördern. nmz: Welchen Stellenwert hat eine „Förderung nach innen“, also die Teilhabe der Mitarbeiter des Sponsor-Unternehmens? Hünnekens: Das ist in vielen Unternehmen so wichtig, daß es kaum nach außen dringt. Einige setzen allein auf die Kommunikation nach innen. Andere machen erst einmal Kulturveranstaltungen im eigenen Betrieb, um den Humus zu setzen für ein nach außen gehendes Engagement im Kultursponsoring und um Verständnis für die Entscheidung zu wecken, daß man so etwas macht. Es ist ja nicht immer populär, wenn Sie Stellen abbauen müssen und gleichzeitig mit einer großen Summe eine Ausstellung finanzieren. Da fragt man sich natürlich als Betroffener im Betrieb, ob das denn sein muß. Um dies plausibel zu machen, setzt es gute Kommunikation nach innen voraus. Das hat natürlich auch einen Marketingeffekt nach innen zur Folge. Nur mit einer guten Mitarbeitermotivation können Sie auch effektiv arbeiten. Ich halte das, betriebswirtschaftlich gedacht, für ein selbstverständliches Verfahren, Motivation zu entwickeln. Aufruf zum Dialog nmz: Zurück zu Ihrem Positionspapier: Sie haben mit Ihren Thesen eindeutig Stellung bezogen. Was erwarten Sie nun von der anderen Seite? Hünnekens: Ich erwarte, daß man das Positionspapier sehr gründlich liest, es kritisch prüft und ein Feedback gibt. Und ich erwarte im nächsten Schritt, daß auch die Kulturseite sich bewegt und so etwas wie ein Selbstverständnis im Umgang mit der Wirtschaft formuliert: Das erwarten wir, das sind unsere Grenzen, das sind unsere Potentiale. Ein Positionspapier der Kultur in Sachen Partnerschaft mit der Wirtschaft wäre sehr wünschenswert. Die Medien haben mit großer Überraschung im Oktober 1998 konstatiert, daß die Wirtschaft zuerst so etwas wie einen Ehrenkodex entwickelt hat. Sie hat dabei natürlich primär Thesen aus Sicht der Wirtschaft formuliert. Warum macht aber die Wirtschaft den ersten Schritt? Das hätte man doch schon lange von der Kultur erwarten müssen. Ich erwarte auch, daß die Kultur diese Partnerschaft professionalisiert und einen offenen Dialog sucht. Das muß aus den Verbänden der Kultur kommen. Es gibt ein Haus der Kultur in Bonn, wo sie alle zusammen sind. Die sollen sich mal hinsetzen und auf unser Papier antworten.

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