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Die Nische hat sich verschoben: Götz Bühler. Foto: Ralf Dombrowski

Die Nische hat sich verschoben: Götz Bühler. Foto: Ralf Dombrowski

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Und weiter im Geschäft

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20 Jahre jazzahead! Bremen hat sich zu einer echten Branchen-Plattform gemausert
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Im Laufe von zwei knappen Jahrzehnten ist die jazzahead! in Bremen von einem kleinen Szenentreffen zu einer international renommierten Branchenplattform herangewachsen und steuert nun im 19. Jahr ihrer 18. Ausgabe entgegen. Seit 2024 leitet der Hamburger Journalist, Redakteur und Labelmanager Götz Bühler die künstlerische Sparte der Fachmesse. Ralf Dombrowski stellte die Fragen zum Stand der Branche.

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neue musikzeitung: Herr Bühler, was genau ist Ihre Funktion?

Götz Bühler: Ich bin Artistic Director und habe jetzt schon im zweiten Jahr die Rollen von Uli Beckerhoff und Peter Schulze übernommen. Ich stelle die Jurys der jazzahead! zusammen und kümmere mich um alles, was mit dem Programm zu tun hat. Da geht es um die 38 Showcases, die wir präsentieren, aber auch viel um das Drumherum. Wir hatten in diesem Jahr ungefähr 600 Bewerbungen, ich bin alle durchgegangen und habe auch in gewisser Weise das Privileg, mich selbst einem Reality Check unterziehen zu können. Ich schaue also, was die Kolleg:innen rundherum mögen und wie sie entscheiden. Es sind mehrere Jurys, spezialisiert, damit nicht alle alles durchhören müssen. Spannend ist, wie das machmal auseinander geht.

nmz: Woran liegt es, dass die Vorstellungen stellenweise so verschieden sind?

Bühler: Die Jurys bestehen aus Leuten, die selbst Programm machen. Die Idee ist einfach: Jeder sucht nur Künstler aus, von denen er oder sie meint, dass sie in seinem Club, seinem Laden, auf seinem Festival funktionieren würden. Und dass sie sie buchen würden. Das ist eigentlich gut, nur manchmal denken Leute in der Jurysitzung: Bei mir geht das nicht, aber vielleicht passt die Band für eine andere Bühne. Das ist aber nicht unsere Idee. Alle sollten sagen: So, hier, die sind richtig für mich! Trotzdem gibt es Diskussionen.

nmz: Wo liegen die Unsicherheiten?

Bühler: Das hängt mit der Menge der Bands und der Partnerlandgeschichte zusammen. Wenn jemand zum Beispiel trotz lauter Ja-Stimmen nicht dabei ist, dann muss ich einschreiten. Meistens ist es eine Band oder Person pro Jury. Ansonsten ist das Grand Opening mein Wunschkonzert, das kann ich alleine gestalten. Und bei den Club Nights versuchen wir oft Bands zu berücksichtigen, die sich beworben haben, aber nicht in die Showcases gekommen sind. Da kann man dann ein paar Darlings unterbringen. In diesem Jahr ist das zum Beispiel Tyreek McDole, ein junger amerikanischer Sänger, der ist sensationell.

nmz: Welche Bedeutung haben die Partnerländer?

Bühler: Die Partnerländer sind Frank­reich, Schweiz und Spanien. Und das Thema ist „Re-connect“, weil wir alle drei Länder schon einmal als Partner hatten, seitdem aber sehr viel passiert ist. Der Hintergedanke ist, dass sie als Nachbarländer untereinander kooperieren. Das passiert etwa beim Grand Opening beim Louis Matute Large Ensemble aus der Schweiz, wo auch französische, spanische Sängerinnen und ein kubanischer Trompeter, der inzwischen auf Mallorca lebt, mitwirken. So wollen wir das auch im größeren Rahmen haben. Die Institutionen sollen zusammenarbeiten und merken, wie sinnvoll es ist, nicht immer nur sein eigenes Süppchen zu kochen. Zum Beispiel, wie man eine Tour in die Nachbarländer ausweiten kann. Da arbeiten wir an einem von uns initiierten Green Touring Network, einem onlinebasierten Netzwerk, bei dem jeder Teilnehmende sehen kann, wer wen wo gebucht hat und dann selbst schnell reagieren kann. 

nmz: Ist die jazzahead! inzwischen eher eine Messe für Veranstalter oder gibt es noch einen nennenswerten Tonträgermarkt für Jazz?

Bühler: Die Nische selbst hat sich eigentlich nicht verändert. Es wird im Jazz kein Cent mehr oder weniger umgesetzt als vor zwanzig Jahren. Es hat sich nur verschoben. Die einen verdienen weniger, die anderen viel mehr. Früher hatte man Probleme mit der Herstellung von CDs, Lagerung, Verkauf, Retouren. Heute macht man einen vernünftigen Plan, vernünftiges Marketing, dann streamst du und es bleibt manchmal sogar mehr übrig als früher. Dazu gibt es schleichende Prozesse. Es wird in absehbarer Zeit sicherlich weniger Labels geben, weil es immer mehr Künstler:innen gibt, die das selbst in die Hand nehmen. Also, ja: Die jazzahead reflektiert den sich verändernden Markt. Die Labels sind alle noch vor Ort. Anders als früher gibt es aber kaum noch Künstler, die dort direkt zur Plattenfirma gehen, ihre CD abgeben und sagen: Hört doch mal rein! Das funktioniert heute anders. Da werden E-Mails geschickt. Man sieht jemanden auf Social Media oder erlebt, dass er schon erfolgreich Tourneen spielt. Dann kommen die Labeldeals. 

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