Gülke, so die Ernst von Siemens Musikstiftung in ihrer Mitteilung, sei „nicht nur ein Grenzgänger im vielfachen Wortsinn“, sondern ein „Weltenverbinder“. Er schaffe es, „immer wieder Brücken zu schlagen zwischen Theorie und Praxis, zwischen seinen unterschiedlichen Berufen – stets gelebt als Berufung – des Wissenschaftlers, Dirigenten und Pädagogen und nicht zuletzt auch zwischen den musikalischen Welten in der damaligen DDR und der Bundesrepublik.“
„Robert Schumanns jubelnd erlittene Romantik“: Kaum eine Rezension (auch nicht diejenige in der nmz) ließ es sich nehmen, bei der Besprechung des vor acht Jahren bei Bärenreiter erschienenen Schumann-Handbuchs diese brillante Überschrift von Peter Gülkes einleitendem Essay zu würdigen. In der Tat – wer die Quintessenz eines Komponisten in ein so stimmiges Bild zu fassen vermag, der muss schon etwas vom Schreiben über Musik verstehen. Und von der Musik, über die er schreibt. Insofern verwundert es nicht, dass Peter Gülke zur seltenen Spezies des dirigierenden Musikwissenschaftlers gehört. Auch wenn sich im Laufe seines Wirkens der Schwerpunkt vom Dirigieren ein Stück weit auf das Forschen und Schreiben verschoben hat, so bleibt doch die wechselseitige Durchdringung beider Zugangsweisen die Konstante seines Schaffens.
Die Voraussetzungen dafür wurden in Gülkes Studienjahren in Weimar, Jena und Leipzig gelegt, wo er sich unter anderem dem Cello und der Musikwissenschaft widmete und dann auch mit einer Arbeit zur Musik des 15. Jahrhunderts promovierte. Ende der 1950er-Jahre begann seine Laufbahn als Dirigent – er sei „der Musikwissenschaft in die Praxis entlaufen“, formulierte er einmal –, zunächst als Kapellmeister, unter anderem in Stralsund und Dresden, dann als Generalmusikdirektor in Dresden.
Die Umstände seiner Übersiedelung nach Westdeutschland im Jahr 1983 (erst ein Jahr später konnte ihm die Familie folgen) beschrieb Gülke 2002 in der ersten, vom Mitteldeutschen und Bayerischen Rundfunk gemeinsam produzierten „contrapunkt“-Sendung mit den Worten eines Freundes in ähnlicher Lage: „Ich bin gezwungen worden, freiwillig auszureisen“. Hier habilitierte er sich zunächst bei Carl Dahlhaus in Berlin und war dann zehn Jahre lang Generalmusikdirektor in Wuppertal und engagierte sich danach unter anderem als Vorsitzender des künstlerischen Beirats des Dirigentenforums für die Nachwuchsförderung.
Sein wissenschaftliches und publizistisches Œuvre wuchs unterdessen stetig an: In Studien, unter anderem zu Schubert, dessen symphonische Fragmente er orchestriert und eingespielt hat, Dufay, Beethoven oder eben Schumann spiegelt sich bis heute seine intellektuelle Durchdringung bei gleichzeitiger Leidenschaft für den Forschungsgegenstand Musik, was die Lektüre zu einem herausforderndem Vergnügen machen.
Am 24. Mai nun wird er aus den Händen Michael Krügers im Münchner Cuvilliés-Theater den Ernst von Siemens Musikpreis entgegennehmen. Eine jubelnd erlittene Preisverleihung ist nicht zu befürchten.
Insgesamt vergibt die Ernst von Siemens Musikstiftung drei Millionen Euro an Preis- und Fördergeldern. 250.000 Euro entfallen auf die Dotierung des Hauptpreises, je 35.000 Euro sowie die Produktion einer Porträt-CD erhalten die Komponisten-Förderpreisträger, die Ende Februar bekannt gegeben werden. Der Rest verteilt sich auf weltweit rund 150 Projekte im Bereich der zeitgenössischen Musik.
PS. Peter Gülke als Gast in der Sendung ++ contrapunkt ++ westöstlicher dialog. Hier im Gespräch mit Theo Geißler und Manfred Wagenbreth. Aus dem Jahre 2002. [Dauer: 5:45]