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Dirigent Gergijew wegen Putins Schwulen-Politik unter Beschuss [update, 18:00]

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München - Waleri Gergijew zählt unbestritten zu den weltweit bedeutenden Dirigenten. Die Münchner Philharmoniker haben diesen «Global Player» der klassischen Musik als neuen Chefdirigenten ab 2015 gewonnen. Neben der Sopranistin Anna Netrebko ist Gergijew auch einer der wichtigsten musikalischen Botschafter seines Heimatlandes - und enger Vertrauter von Russlands Staatspräsident Wladimir Putin. Die Nähe zu dem umstrittenen Politiker, der den Künstler sogar zum «Helden der Arbeit» ernannte, ist Gergijew jetzt zum Problem geworden.

Aktivisten der schwul-lesbischen Szene hatten bereits am Rande von Gergijew-Auftritten in New York und London gegen Putins homophobe Politik demonstriert. Nun stehen dem Maestro auch in München Proteste ins Haus. Für den 18. Dezember hat die Wählerinitiative Rosa Liste zu einer Demonstration vor der Philharmonie aufgerufen. Motto: «To Russia with Love!» An diesem Abend wird Gergijew in der Münchner Philharmonie mit seinem künftigen Orchester ein Strawinsky-Programm aufführen.

Als Gergijew und Netrebko Ende September an der New Yorker Met mit Peter Tschaikowskis Oper «Eugen Onegin» die Saison eröffneten, demonstrierten Aktivisten der schwul-lesbischen Szene lautstark gegen ein von Putin unterschriebenes Gesetz, mit dem die Unterstützung von «nicht-traditionellen sexuellen Beziehungen» unter Strafe gestellt wurde. Die Vorschrift verbietet es, in Gegenwart von Minderjährigen positiv über Homosexualität zu reden.

Der künftige Chef der Münchner Philharmoniker habe Putins repressive Gesetzgebung mit der Einlassung verteidigt, das umstrittene Gesetz ziele nicht auf Homosexuelle, sondern auf Pädophile, heißt es jetzt in dem Aufruf zu der geplanten Münchner Demonstration. Damit verleugne er die «Hass- und Verfolgungspolitik» gegenüber Schwulen und Lesben. Rosa-Liste-Stadtrat Thomas Niederbühl will das Thema aber «nicht zu hoch hängen»: Der Russe sei ein großartiger Dirigent, die Entscheidung für ihn als dem neuen Chef der Philharmoniker sei im Stadtrat seinerzeit einstimmig gefallen.

Das Münchner Kulturreferat verwies auf eine Stellungnahme, die der Dirigent Anfang November nach Protesten in London auf Facebook veröffentlicht hatte. Er habe als langjähriger Chef des St. Petersburger Mariinski-Theaters «niemals irgendjemanden diskriminiert», schrieb Gergijew. Der Dirigent bestritt, die antischwule Gesetzgebung der russischen Duma jemals unterstützt zu haben. «Ich bin Künstler und arbeite seit drei Jahrzehnten mit Zahntausenden von Menschen aller Nationen und Lebensweisen zusammen. Viele von ihnen sind echte Freunde geworden.»

  Auch die Münchner Philharmoniker veröffentlichten auf ihrer Homepage ein Bekenntnis gegen «Diskriminierung und Rassismus». Zusammen mit anderen Kulturschaffenden stehe man für «das demokratische, weltoffene und multikulturelle München, in dem respektvoll miteinander umgegangen» werde. Damit hofft man wohl, einen Eklat wie in der New Yorker Carnegie-Hall zu vermeiden . Dort riefen Aktivisten bei einem Auftritt Gergijews ins Auditorium: «Your silence is killing Russian gays!» («Ihr Schweigen tötet russische Schwule!»). An diesem Abend standen Igor Strawinskis Ballette «Der Feuervogel» und «Petruschka» auf dem Programm. Beide Werke waren von dem russischen Impresario Sergej Djagilew (1872-1929) herausgebracht worden. Djagilew, der legendäre Leiter der Ballets Russes, war schwul, ebenso wie Russlands Nationalkomponist Tschaikowski.

Georg Etscheit

[update, 18:00]

Münchner Opernintendanten kritisieren Gergijew

München (dpa) - In der Diskussion um den in die Kritik geratenen russischen Dirigenten Waleri Gergijew melden sich nun auch Münchner Intendanten zu Wort. «Ich finde, das Fundament der Kunst ist Wahrhaftigkeit und Humanität», sagte der Chef der Bayerischen Staatsoper, Nikolaus Bachler, dem «Münchner Merkur» vom Samstag. «Es versteht sich daher von selbst, dass man schon aus Eigeninteresse als Künstler nicht schweigen kann zu Inhumanität und Menschenrechtsverletzungen.»

Der Intendant des Staatstheaters am Gärtnerplatz, Josef Köpplinger, äußerte sich in der Zeitung ähnlich: «Gerade wenn man auf gelebte Geschichte zurückblickt, auf das 20. Jahrhundert mit all seinem Terror und seinen Auswüchsen, auch auf die vergangenen zehn Jahre, dann müsste es für einen vernünftig denkenden Menschen reichen, zu gewissen Dingen zu sagen: Nein, so nicht», sagte er.

Gergijew, der 2015 neuer Chef der Münchner Philharmoniker wird, gilt als einer der wichtigsten musikalischen Botschafter seines Heimatlandes. Er ist ein enger Vertrauter von Staatspräsident Wladimir Putin. Kritiker wie die Münchner Rosa Liste werfen dem Dirigenten vor, sich nicht entschieden gegen die russische Anti-Schwulen-Politik zu stellen.
 

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