Dietrich Fischer-Dieskau ist tot. Wie seine Frau Julia Varady mitteilte, starb der Sänger kurz vor seinem 87. Geburtstag in Berg bei Starnberg. Fischer-Dieskau galt als einflussreichster Liedinterpret der Nachkriegszeit, machte aber auch als Opernsänger Karriere und war überdies als Dirigent, Rezitator, Musikschriftsteller und Gesangspädagoge erfolgreich.
Am 28. Mai 1925 in Berlin geboren, absolvierte Dietrich Fischer-Dieskau seine Gesangsausbildung zunächst bei Georg Walter, dann an der Berliner Musikakademie bei Hermann Weißenborn. Nach dem Kriegsdienst und der Zeit in italienischer Kriegsgefangenschaft begann seine Karriere 1947 in Badenweiler als Einspringer in Brahms’ Deutschem Requiem und mit einer Aufnahme von Schuberts „Winterreise“ im Januar 1948 beim RIAS Berlin.
Zeit seines Lebens sollte daraufhin sein Name vor allem mit der geradezu enzyklopädischen Erschließung des deutschen Kunstlied-Repertoires verbunden bleiben, die ausführlich auf Tonträgern dokumentiert ist, unter anderem mit (mehr oder weniger kompletten) Einspielungen der Lieder von Franz Schubert, Robert Schumann, Johannes Brahms, Hugo Wolf und Richard Strauss.
Seine parallel dazu international verlaufende Opernkarriere war nicht minder bedeutsam: Weit über 100 Partien hat Fischer-Dieskau auf der Bühne und im Studio gesungen, wobei er eine riesige historische und stilistische Bandbreite abdeckte.
Regelmäßig brachte er auch neue Werke zur Uraufführung, darunter Lieder und Opern von Karl Amadeus Hartmann, Witold Lutoslawski, Hans Werner Henze und Aribert Reimann, der ihm 1978 die Titelpartie des „Lear“ auf den Leib schrieb.
Fischer-Dieskaus Bedeutung als Liedsänger liegt in seiner akribischen Auseinandersetzung mit dem Notentext und den Textvorlagen begründet, Seiner deklamatorischen Prägnanz und Detailgenauigkeit kann man sich kaum entziehen, auch wenn bisweilen die vokale Gestaltung darunter leidet und der Ausdruckswillen in theatrale, die dynamischen Grenzen des Liedgesangs sprengende Gestik umschlägt.
Seine Fähigkeit zur psychologischen Durchdringung des lyrischen Ichs fand auf der Opernbühne ihr Pendant in seinen akribischen Rollenporträts, die – manchen sängerischen Defiziten zum Trotz – immer wieder auch auf Tonträgern zu fesseln vermochten.
Dass Fischer-Dieskau sich auch als Dirigent, Pädagoge, Maler und ebenso produktiver wie kenntnisreicher Musikschriftsteller einen Namen machte, beweist seine Bedeutung als einer der letzten künstlerischen Universalgelehrten.