Schuttertal - Vor genau 30 Jahren, zur Fasnacht 1979, spielte Helmut Moßmann erstmals mit seinem selbstgebauten «Bock» auf. Der damalige Metallbauer aus dem Schuttertal im Schwarzwald hatte in Heimarbeit den ersten Dudelsack seines Lebens gefertigt. Beim damaligen Narrentreiben galten er und sein Instrument noch als Exoten. Sein «Hang zur Holzverarbeitung» habe ihm das neue Hobby beschert, erinnert er sich heute. Was damals als Liebhaberei begann, ist inzwischen Moßmanns Hauptberuf. Seine Dudelsäcke sind in der ganzen Welt gefragt.
Bald nach Fertigstellung seines ersten «Bocks» stellte Moßmann fest, dass die deutsche Dudelsacktradition weitgehend in Vergessenheit geraten war. Nachforschungen in Bibliotheken, Heimat- und Kunstmuseen und die Begegnung mit einem böhmisch-deutschen Dudelsackbauer führten ihn an die vergessenen Herstellungstechniken heran. Gemälde von Pieter Brueghel und Albrecht Dürer sowie Michael Praetorius' fast 400 Jahre alte musikwissenschaftliche Schrift «Syntagma musicum» halfen ihm bei der Wiederbelebung des alten Wissens.
Immer weiter entwickelte der damals 30-jährige Familienvater seine Schäfer- und Sackpfeifen, Hümmelchen oder Böcke, wie die selten gewordenen Instrumente hierzulande heißen. Er spielte damit auf Folk- und Festveranstaltungen und zeigte seine Neuheiten auf derInternationalen Musikmesse in Frankfurt. Moßmann erinnert sich an das ungläubige Staunen darüber, dass ein Dudelsack nicht aus Schottland kam und auch anders aussah - kleiner und mit einem geschnitzten Ziegenkopf verziert. «Wo ist ihr Schottenrock?», fragten sie ihn und ob er das Lied «Amazing Grace» spiele.
«Viele glauben, Dudelsäcke sind was Ur-Schottisches», sagt Moßmann. Antiken Quellen zufolge stammt der lederne Luftsack mit Spiel- und Bordune-Pfeifen jedoch aus Kleinasien. Im Mittelalter war er über ganz Europa verbreitet und feiert heute wieder vom Balkan bis Norwegen ein Comeback.
Im Freiburger Volksmusikarchiv fand der Liebhaber alter Instrumente Stücke für Sackpfeifen, wie sie hier von Schäfern noch vor 100 Jahren gespielt wurden. Auch in der damaligen Tschechoslowakei und Frankreich stieß er auf alte Quellen und bald profitierte Moßmann von einer europaweit entstehenden Folkmusic-Bewegung, zu der er längst selbst gehörte, ohne es zu wissen. Die Nachfrage nach den deutschen Dudelsäcken aus Südbaden wuchs und so entschloss sich der Metallbauer 1989, mit 40 Jahren seinen sicheren Beruf aufzugeben und selbstständig zu werden.
Mittlerweile stellt Moßmann auch andere Instrumente her. Drehleiern, Einhandflöten, Schwegelpfeifen und Bordunzithern werden bei ihm geordert. Die Einzelanfertigungen haben ihren Preis. So kostet die günstigste Sackpfeife 940 Euro, eine Drehleier bringt es auf mehr als 2300 Euro. Er verkauft auf Festivals und Messen und wird seit Jahren ins zentralfranzösische Saint Chartier geladen, wo sich ganz in der Nähe von Komponist Frederic Chopins einstiger Lebensstation Nohant seit 1976 die besten Instrumentenbauer Europas zusammenfinden. Moßmanns Aufträge reichen bis Japan und in die USA.
Einer von Moßmanns zufriedenen Kunden ist Ulrich Stöckel. Der selbstständige Handwerker im Baugewerbe erzählt: «Ich spiele seit 15 Jahren mit der Schäferpfeife.» Mit seiner Musikantengruppe Arundo donax ist er seit 17 Jahren auf Mittelaltermärkten, Rittermahlen und Stadtfesten unterwegs. Ein Mitspieler hatte ihm Moßmann empfohlen. Stöckel hatte zuvor «etliche Dudelsackbauer» in ganz Deutschland besucht. Moßmann war jedoch der einzige, der deutsche Dudelsäcke baute.
Der Instrumentenbauer selbst, gerade 60 Jahre alt geworden, gibt Spielseminare, bietet für Schulen «Instrumentenzeitreisen» von der Steinzeit bis heute an und musiziert immer noch öffentlich. Auch drei seiner fünf Kinder haben Moßmanns Passion geerbt: Die Tochter spielt Harfe und zwei Söhne sind Orgelbauer geworden.