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Gründer der Musikalischen Jugend, aus der die neue musikzeitung hervorging: Bernhard Bosse. Foto: Juan Martin Koch
Gründer der Musikalischen Jugend, aus der die neue musikzeitung hervorging: Bernhard Bosse. Foto: Juan Martin Koch
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Ein Brief an den Verleger-Vater

Untertitel
Zum Tod des nmz-Gründers Bernhard Bosse
Publikationsdatum
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Lieber Bernd, ein gutes halbes Jahrhundert haben wir teils sehr eng, teils auch in respektvoller Distanz miteinander verbracht. Als Zögling, Lehrling, Mitarbeiter – und schließlich als Dein Nachfolger im Gustav Bosse Verlag durfte ich viele Stationen Deiner vielfarbigen, erfolgreichen Tätigkeiten und Visionen miterleben. Voraussetzung dafür war die Entwicklung unserer Beziehung hin zu einer vertrauensvollen Freundschaft, die Du und Deine Frau Marianne mir ermöglichten.

Als verschüchterter Internatshänfling kam ich – seinerzeit mit Eurem Sohn Thomas eng befreundet – an Euren Esstisch in Regensburgs Landshuter Straße. Ihr habt es rasch geschafft, mir meine Scheu zu nehmen, kräftig zuzulangen – denn die Küche meines Alumneums verdiente nicht gerade einen Stern. Rasch erkanntest Du, lieber Bernd, meine vielleicht einzige etwas auffällige Begabung: Das Verfassen von Gedichten und Artikeln. Regensburg verdankte Dir eine seinerzeit wohl einzigartige Institution: Das „Theater der Jugend“ – eine Kooperation zwischen Schulen und Stadttheater, die es über tausend Schülerinnen und Schülern ermöglichte, für ganz kleines Geld Shakespeare, Verdi oder Brecht kennenzulernen. Solange die Organisation in Deinen Händen lag, funktionierte das Modell. Als flankierende Maßnahme gestaltetest Du in der damaligen „Musikalischen Jugend“ (seit 1969 Neue Musikzeitung) regionale Seiten, auf denen sich der Kritikernachwuchs in professionellem Umfeld austoben konnte. Meine Spezialität waren wohlformulierte, aber teils unreflektierte Verrisse, die Deine Freundschaft mit dem damaligen Intendanten nicht gerade beförderten. Wir haben über die Texte diskutiert – zensiert hast Du mich nie.

Du holtest mich, den frisch verheirateten Studienanfänger, als Halbtagskraft in den Verlag und botest mir eine Existenzgrundlage für meine kleine Familie. Ich erinnere mich an viele gemeinsame Reisen zu Deinen Geschäftspartnern, die bezeichnenderweise meist auch gute Freunde waren. Du verhalfst mir zu „Nebenbeschäftigungen“ als Pressemensch bei der „Jeunesses Musicales“, bei „Jugend musiziert“, beim „Verband deutscher Musikschulen“. Und es war sicher nicht immer leicht, den langhaarigen Möchtegern-Revoluzzer Theo gestandenen Verbandsfunktionären schmackhaft zu machen. So aber konnte ich Erfahrungen sammeln, Kontakte knüpfen – und mich für die Beförderung zum „Chef vom Dienst“ der NMZ unter Deiner Ägide qualifizieren. Diverse „Ausrutscher“ – ob sie nun überspitzte, teils geschäftsschädigende Glossen oder auch Zoff mit renommierten Autoren betrafen, hast Du mir – nach gelegentlich heftiger Diskussion – stets nachgesehen. Meine hochfliegenden Pläne, dank eines Studiums an der Münchner Hochschule für Film und Fernsehen demnächst nach Hollywood auszuwandern ertrugst Du mit Engelsgeduld. Nebenbei besorgtest Du mir, indem Du mich als Redakteur weiterbeschäftigtest, ein existenzsicherndes Grundeinkommen.

Nachdem ich mich nicht in L.A., sondern in der Kinderredaktion des Bayerischen Fernsehens mental final verausgabt hatte, holtest Du mich mit wachsenden Aufgabengebieten zurück in den Verlag. Ich begriff die verlegerisch-pädagogische Glanztat unserer „Musikalischen Früherziehung“ – die flankierenden Projekte und Buchreihen für Musikschulen und die Schulmusik. Und Du machtest mir den kulturpolitischen Stellenwert unserer „Neuen Musikzeitung“ bewusst, deren Gründung Du selbst oft als Deine wichtigste verlegerische Entscheidung bezeichnet hast. Es war ein Beweis Deiner Freundschaft und Deines scheint’s unerschütterlichen Vertrauens in meine teils unausgereifte Persönlichkeit, dass Du mich zwei Jahre vor Deiner Pensionierung für den Posten des Chefredakteurs als geeignet empfandest, mich dann sogar zu Deinem Nachfolger bestimmtest.

Es folgten komplizierte Zeiten, denn Dein kaufmännisches Talent konnte ich bei weitem nicht kompensieren. Für mein Gejammer und meine Probleme hattest Du aber auch in den Folgejahren immer ein offenes Ohr – und oft einen guten Rat. Unsere später eher unregelmäßigen Begegnungen führten dank Deiner ausgeprägten Beobachtungsgabe, Deiner intelligenten Neugier, mit der Du Dir über zwei Jahrzehnte eine stupende Branchenkompetenz erhalten hast, zu für mich wegweisenden, sehr ernsthaften Gesprächen. Noch in den letzten Monaten vor Deinem Tod hast Du die nmz-Redaktion zu einem „Kolloquium“ eingeladen. Wir hatten das Gefühl, Du wolltest Dich noch einmal vergewissern, dass unser Blatt von der von Dir vorgeprägten Wertehaltung nicht in rein kommerziell definierte Glitzerwelten abgleitet. Deine Fragen waren präzise, Deine Ratschläge klug.

Als meinen „Verleger-Vater“ habe ich Dich seit Jahren benannt und empfunden. Dabei hat jeder Teil dieses Koppel-Wortes seine ganz besondere Bedeutung für meine Entwicklung – zum Verleger und zum Dich hochschätzenden Sohn. Lieber Bernd: Ich vermisse Dich.

Dein Theo

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