Hauptbild
Cecil Taylor. Foto: Thomas J. Krebs
Cecil Taylor. Foto: Thomas J. Krebs
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Ein richtig Guter

Untertitel
Zum Tode des Pianisten Cecil Taylor
Publikationsdatum
Body

„War ich gut?“ – konnte Cecil Taylor seine Zuhörer nach einem furiosen Solokonzert fragen – ob er wohl darauf hoffte, seine Zuhörer hätten alle verfremdeten und versteckten BluesLicks, Bob-Phrasen und typische Jazz-Harmonien wahrgenommen, die er in seiner Improvisation „versteckt“ hatte? Es war immer alles da, die ganze Jazzgeschichte, aber eben „abstrakt“. Verstanden und bewundert hatte sein Publikum mit Gewissheit seine Performance, seinen Tanz auf der Tastatur, der sich nicht auf die Virtuosität eines Fingersatzes reduzieren ließ: Taylor spielte stets mit seinem gesamten Körper Klavier. Nicht umsonst wurde er immer wieder als Schlagzeuger und Perkussionist am Klavier beschrieben.

„Ich suche auf dem Klavier die Sprünge eines Tänzers im Raum darzustellen“, sagte er und meinte das auch so: Taylor, dessen Mutter Tänzerin war, war Ballettexperte und komponierte auch Ballettmusiken. Er zählte zu den Jazz-Künstlern, die nicht nur in der eigenen Club-Kultur zuhause waren: Cecil Taylor verfolgte in seiner Heimatstadt New York mit Interesse Schauspiel, Broadway Shows, Filme und Ballett-Premieren. Er schrieb Gedichte, die er auch im Rahmen seiner Konzerte rezitierte; alle diese Einflüsse verschmolz er zu seinem charakteristischen theatralisch-performativen Musizierstil.

In Deutschland wurden seine Konzerte in Berlin 1988 bis 1999 weitgehend durch das Label FMP veröffentlicht und so Taylors Leistungen im Interplay mit europäischen Improvisatoren wie Derek Bailey, Evan Parker, Peter Kowald, oder Han Bennink dokumentiert. Eine legendäre Soloaufnahme „Fly! Fly! Fly! Fly! Fly!“ wurde 1981 in Villingen für das Label MPS aufgenommen. Bemerkenswert auch die Einspielung seiner orchestralen Komposition „The Owner of the River Bank“ durch das Italian Instabile Orchestra mit Taylor am Klavier (bei enja veröffentlicht).

Mit fünf Jahren bekam Cecil Percival Taylor den ersten Klavierunterricht bei seiner Mutter. Er studierte Harmonielehre und Komposition am New York College of Music und setzte seine Kompositionsstudien zwischen 1947 und 1951 am New England Conservatory fort, unter anderem bei Henry Cowell.  „Es gibt keine Musik ohne Ordnung“ – noch ein Zitat des amerikanischen Pianisten und Komponisten Cecil Taylor, und zwar eines, das man diesem Exponenten des Freejazz so vielleicht nicht zugetraut hätte. Seine Kunst beruhte auf den Errungenschaften der Neuen Musik und des Modern Jazz, hier insbesondere Bud Powell und Lennie Tristano, als auch auf Einflüssen westafrikanischer Perkussionsmusik. Seinen Lebensunterhalt bestritt Taylor nach dem Studium Anfang der 50er-Jahre in R&B- und Swing-Bands etwa bei Hot Lips Page und Johnny Hodges. 1956 gründete er seine eigene Band mit dem Sopransaxophonisten Steve Lacy, dem Bassisten Buell Neidlinger und dem Schlagzeuger Dennis Charles. Bereits in seiner ersten, 1956 bei Transition veröffentlichten Platte „Jazz Advance“ zeigte er die Freiheiten, die später zu seinem Markenzeichen als innovativem Pianisten und Komponisten werden sollten. „War ich gut?“ – Cecil Percival Taylor war nicht nur ein außergewöhnlicher Künstler, sondern auch – und das kann der Autor als inzwischen langjähriger Zuhörer sagen – ein „richtig guter“. Er starb im Alter von 89 Jahren in seinem Haus in Brooklyn/New York.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!