Als vor einigen Jahren die große Flut über New Orleans hereinbrach, musste man an ein Lied denken, das man Mitte der siebziger Jahre zum ersten Mal gehört hatte: „Louisiana 1927“. Komponiert und getextet wurde dieser Song von einem, der dort geboren wurde: Randy Newman. Und so war es vielleicht kein Zufall, dass diese Nummer aus seinem wunderbaren Album „Good Old Boys“ nach „Katrina“ zur inoffiziellen Hymne von New Orleans wurde.
„They’re tryin’ to wash us away“, das brachte das Lebensgefühl der schwarzen und weißen Bevölkerung dieser stolzen Stadt im „Grand Old South“ damals auf den Punkt. Ausgerechnet in Hollywood war dieses Lied entstanden, das mitten ins Herz des Amerikanischen Südens traf. Randy gehört zur Newman-Hollywood-Dynastie. Ein Onkel, Alfred Newman, prägte als Filmkomponist seit den dreißiger Jahren das „Goldene Zeitalter der Filmmusik“, auch zwei weitere waren musikalische Leiter bei Twentieth-Century Fox. Onkel Lionel schrieb zum Beispiel die Lieder für Marilyn Monroe in „River of No Return“.
Schon früh trieb sich der kleine Randy in den „Soundstage“-Räumen der Fox herum und schaute seinen Onkels beim Dirigieren zu. Seine allererste – instrumentale – Langspielplatte trug den schönen Titel „The Randy Newman Orchestra Plays Original Music From The Hit Television Series ‘
Im März 1967 tauchte dann plötzlich eines seiner schrägsten Lieder in den britischen Top-Ten auf: „Simon Smith and the Amazing Dancing Bear“, interpretiert von The Alan Price Set. Nun war es Zeit geworden, eine erste LP mit eigenen Songs einzuspielen. Sein alter Freund Lenny Waronker nahm ihn für Reprise Records unter Vertrag. „Randy Newman Creates Something New Under The Sun“ erschien 1968. Trotz einer witzigen PR-Kampagne seiner Plattenfirma blieb das Album in den Läden genauso wie Blei liegen wie die Debüt-LP seines genialen Kumpels Van Dyke Parks („Song Cycle“). Heute gelten beide Platten natürlich als Klassiker.
Ein Lied aus dieser Songkollektion entwickelte sich bald zum Standard, zum modernen Torch Song: „I Think It’s Going To Rain Today“. Es wurde zum Lieblingslied von Nina Simone, Peggy Lee oder Dusty Springfield. Und kurz nachdem 1970 die zweite Platte, „12 Songs“ – ein weiterer Flop –, erschienen war, hatte Randy Newman plötzlich einen Nr.-1-Hit: „Mama Told Me (Not To Come“). Die Gruppe Three Dog Night hatte sein Klavierliedchen in einen Millionenseller verwandelt, der selbst in Deutschland aus allen Jukeboxen dröhnte. Superstars wie Ella Fitzgerald oder Barbra Streisand sangen nun seine Lieder im New-Orleans-Shuffle-Rhythmus. Sein Freund und Kollege Harry Nilsson widmete ihm sogar ein ganzes Album: „Nilsson Sings Newman“.
Immer cinematischer wurden im Laufe der Zeit Randys Lieder. Das fiel auch dem Pop-Mythomanen Greil Marcus auf: „Die Filmmusik-Seite an Newmans Songs entspringt einer Tradition, die Generationen von Filmfans so total in sich aufgenommen haben, dass sie inzwischen, ungeachtet ihrer klassischen europäischen Vorfahren, vollkommen amerikanisch zu sein scheint. Wenn man Newman hört, ohne sich von den Texten irgendwelcher speziellen Songs beeinflussen zu lassen, so ist es einem, als sähe man John Wayne im Monument Valley. Man hört hundert Filme, deren Titel einem einfach nicht mehr einfallen wollen.“ Und weiter schwärmt Greil Marcus schon Mitte der siebziger Jahre in „Mystery Train“ über Newmans Musik: „Sie ist alles, was Filmmusik immer sein wollte, aber auf seinen Platten ist es reichhaltiger vorhanden, weil er eben Platten, keine Filme macht.“
Nach einem ironischen Überraschungs-Hit, „Short People“ – über Kleinwüchsige, der dazu führte, dass seine Platten in den USA mancherorts verbrannt wurden, zog sich Randy Newman immer mehr von der Songschreiberei zurück und trat in die Fußstapfen seiner berühmten Onkels. So entstanden einige der schönsten Film-Scores der achtziger und neunziger Jahre: „Ragtime“, „The Natural“, „Avalon“ oder „Maverick“. Inzwischen gehört Randy Newman zu den Hauskomponisten des „Pixar“- und Disney-Studios. Und auch das Titelthema der schrägen Krimi-Serie „Monk“ singt er mit seiner näselnden Stimme: „It’s A Jungle Out There“.
Alle heiligen Zeiten hat er aber auch wieder eine LP veröffentlicht. Sein letzter großer Wurf erschien im Sommer: „Harps and Angels“. Ein Lied daraus hatte sich schon in den Anfangszeiten des amerikanischen Wahlkampfs zum „YouTube“-Hit entwickelt. „A Few Words In Defense Of Our Country“ nennt der Westküsten-Patriot aus dem Süden seine musikalische Verteidigungsrede auf Amerika. Aber im Laufe der Zeit verwandelt sich dieser merkwürdiger Monolog über europäische Geschichte – vom Untergang des römischen Reiches über die Spanische Inquisition bis hin zu Stalin und Hitler – zu einem melancholischen Abgesang auf „god’s own country“, das Amerikanische Imperium. Wie in „Sail Away“ hat Randy Newman hier in die Vergangenheit geblickt, um dort die Zukunft zu entdecken.