Willem Breuker ist in den Jazzhimmel gezogen. Er hat sein Kollektief verlassen, das ohne ihn immer so undenkbar zu sein schien, und er hat sein Publikum verlassen. Viel zu früh. Es ist, als hätte der Jazz plötzlich nichts mehr zu lachen.
Bei ihm war alles Überraschung: Jede Note, jeder Takt, die gewagtesten Rhythmus(aus)brüche ebenso wie die fantastischen Arrangements. Kaum ein Komponist ist vor ihm sicher gewesen, er hat mit Joseph Haydn und Hugo Wolf ebenso Schabernack und Schindluder getrieben wie mit Kurt Weill und George Gershwin, mit Duke Ellington und Ennio Morricone. Vor allem aber hat er unermüdlich Eigenes hervorgezaubert wie eine gewaltig flirrende Melange aus Filmzauber und Tagtraum, seine Improvisationen und Kompositionen sind spielerisch leicht und doch noch an der gehauchtesten Zartstelle voll sinnhafter Substanz gewesen. Mit belanglosem Nachspiel von Jazz- und sonstigen Klassikern hatte er nichts am Hut gehabt, weder als grandioser Solist an diversen Saxofonen und Klarinetten noch als Ensemblemitglied und -chef. Sein Ulk hatte auch nie etwas mit Plattitüden zu tun. Für Banalitäten gab und gibt es andere.
Willem Breuker hat beizeiten den Ruf weg gehabt, der große Clown des Jazz zu sein. Da er aber stets ganz genau wusste, was er da tat und was er damit bezweckte, sollte man ihm mindestens das Attribut eines außerordentlich klugen Clowns attestieren. Und im Gegensatz zu manch anderem Mondgesicht mit oder ohne roter Nase war er kein trauriger Vertreter seiner Zunft, sondern ein durch und durch lustvoller Zeitgenosse. Er hat die Musik als Mittel gesehen, sich als Mensch unter Menschen zu begreifen und sich als solcher in der menschlichen Gesellschaft auch einzubringen. Sein Engagement ging weit über die rein musikalische Gestaltungsfreude hinaus, allein die Namenswahl des 1970 von ihm gegründeten „Willem Breuker Kollektief“ oder seines Labels BVHAAST (so hastig wie frei übersetzt „GmbH Eile“) zeugen von seiner Haltung. Er mache „Menschenmusik“, verkündete er immer wieder, und sein zehnköpfiges Kollektief werde auf allen Marktplätzen spielen, die es gibt in Europa. Tourneen führten die äußerst humorige Truppe zum nachhaltigen Vergnügen internationaler Auditorien aber auch in die Welt hinaus, nach China, Japan, in die USA und sowieso quer durch Europa. Sie sind sich aber für Straßenmusik nie zu schade geworden, denn gerade da konnte drangvoll aufgeblasen werden, funktionierten die Spektakel authentischer als in manch kleinem Klub. Immer mal wieder agierte Breuker aber auch in kleinen Besetzungen und überzeugte auch dort stets ganz grandios.
Jetzt hat er die gesamte Jazzwelt in traurigster Weise neuerlich überrascht: Willem Breuker ist mit gerade mal 65 Jahren verstorben. Er sei schon längere Zeit krank gewesen, teilte das Kollektief zum Todestag mit. Was bleibt, sind schöne Erinnerungen an kunstvolle Konzerte, bei denen der Spaß absolut überwog, wo in manchen Momenten aber auch ein Schatten Melancholie schimmerte. Und natürlich bleiben die wunderbaren CDs, die Willem Breuker und sein Kollektief in schöner Regelmäßigkeit einspielten, auf denen die Clownerien immer wieder neu überraschten. Angesichts einer solch bärenstarken Vitalität, die im Laufe der Jahre nur zuzunehmen schien, hätte nichts mehr überraschen können als dieses abrupte Finale. Viel zu viel Marktplätze bleiben nun unbespielt von diesem Meister aus Holland.