Der mit 250.000 Euro dotierte Ernst von Siemens Musikpreis geht 2015 an den deutschen Dirigenten Christoph Eschenbach. Das Kuratorium der Ernst von Siemens Musikstiftung zeichne, so die Mitteilung, „mit Christoph Eschenbach eine künstlerische Ausnahmeerscheinung aus, die es – nicht nur vom Dirigentenpult herab – immer wieder aufs Neue vermag, Orchester, Solisten und das Publikum in ihren Bann zu ziehen“. Eschenbach sei „ein hochvitaler Dirigent und beeindruckender Orchestererzieher, dessen Größe in einer Art natürlicher Autorität liegt, die Machtgesten und alles Übertriebene, allzu Plakative scheut“.
Der 1940 in Breslau geborene Christoph Eschenbach studierte Klavier und Dirigieren. Der Gewinn des ARD-Musikwettbewerbs 1962 markierte den Beginn seiner Pianistenkarriere, die später zugunsten der Dirigiertätigkeit etwas in den Hintergrund trat. Er leitete unter anderem das Tonhalle Orchester Zürich, die Houston Symphony und das Schleswig Holstein Musikfestival. Seit 2010 versieht er die doppelte Leitung des John F. Kennedy Center for the Performing Arts sowie des National Symphony Orchestra in Washington D.C. Seine Erfahrungen gibt Eschenbach regelmäßig in Meisterkursen und Orchesterakademien etwa bei der Kronberg Academy oder der Manhattan School of Music weiter.
Die Preisverleihung findet am 31. Mai 2015 im Münchner Herkulessaal statt. Die Namen der drei mit Förderpreisen ausgezeichneten Komponisten werden Ende Februar bekannt gegeben. Insgesamt vergibt die Stiftung drei Millionen Euro an Preis- und Fördergeldern. Gefördert werden 2015 weltweit rund 150 Projekte im zeitgenössischen Musikbereich. Der größte Anteil der Förderung entfällt auf Kompositionsaufträge, aber auch Festivals, Konzerte, Kinder- und Jugendprojekte sowie Publikationen werden mit Fördergeldern bedacht. 250.000 Euro entfallen auf die Dotierung des Hauptpreises und je 35.000 Euro sowie die Produktion einer Porträt-CD erhalten die Komponisten-Förderpreisträger.
Christoph Eschenbach - ein Leben von und für Musik
Sabine Dobel, dpa
Schwer krank, ein Waisenkind 1945 nach dem Krieg - Christoph Eschenbach begegnete früh dem Tod. Die Musik half ihm zurück ins Leben. Im Mai bekommt der Dirigent und Pianist in München den renommierten Ernst-von-Siemens-Musikpreis.
Christoph Eschenbach wird als Sohn des Breslauer Musikwissenschaftlers Heribert Ringmann am 20. Februar 1940 in Breslau geboren. Die Mutter stirbt bei der Geburt. Der Vater wird als Gegner Hitlers von der Universität Breslau geworfen und kommt in einem Strafbataillon an der Kriegsfront um. Die Großmutter kümmert sich um ihn, aber auch sie stirbt - an Typhus. Eschenbach erkrankt ebenfalls, überlebt nur knapp. Der Schicksalsschläge lassen das Kind verstummen.
Die Adoption durch Wallydore Eschenbach, Cousine der Mutter, empfindet Eschenbach als Rettung. Die Sängerin und Pianistin fragt ihn, ob er Musik machen will - und nach einjährigem Schweigen soll er sein erstes Wort gesagt haben: «Ja.» Musik habe ihm «einen tiefen Sinn und seelischen Frieden» geschenkt.
1951 beginnt Christoph Eschenbach sein Klavierstudium bei Eliza Hansen in Hamburg, es folgen die Ausbildung an der Musikhochschule Köln und ein Dirigierstudium bei Wilhelm Brückner-Rüggeberg in Hamburg. 1962 gewinnt er den ARD-Musikwettbewerb, zahlreiche weitere Preise folgen. Sein Repertoire reicht von Barock bis zu zeitgenössischen Werken. Seine Triebfeder ist die frühe Begegnung mit dem Tod - die Musik seine Ausdrucksform.
Von George Szell und Herbert von Karajan gefördert, wird Eschenbach Chefdirigent des Züricher Tonhalle-Orchesters. Er leitet das NDR Sinfonieorchester in Hamburg und das Orchestre de Paris, wirkt als musikalischer Direktor der Houston Symphony, künstlerischer Leiter des Schleswig-Holstein Musik Festivals und hat Gastaufträge in aller Welt.
Seit 2010 hat er die doppelte Leitung des John F. Kennedy Center for the Performing Arts sowie des National Symphony Orchestra in Washington - und damit einen der attraktivsten Doppelposten, die Amerika zu bieten hat.
Die Weitergabe seiner Erfahrung liegt Eschenbach besonders am Herzen. Er hält Meisterkurse und leitet Orchesterakademien. Herausragenden jungen Musikern gibt er mitunter ganze Tage lang Unterricht, geht für sie notfalls auf Veranstaltersuche. Szell und von Karajan, sagt er, «haben mir den Weg für andere gezeigt».