Klaus-Ernst Behne ist tot. Wie die Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover (HMTMH) mitteilte, starb der Musikpsychologe und frühere Präsident der Hochschule am 9. August im Alter von 73 Jahren. Der ConBrio Verlag und die nmz verlieren damit einen ihrer profiliertesten Autoren.
1994 hatte Klaus-Ernst Behne im ConBrio Verlag unter dem Titel „Gehört, Gedacht, Gesehen“ seine Aufsatzsammlung zum visuellen, kreativen und theoretischen Umgang mit Musik veröffentlicht, 2009 folgte die Längsschnittstudie „Musikerleben im Jugendalter“, deren Ergebnisse er in einem Artikel für die nmz zusammenfasste. 2002 war er einer der ersten gewesen, der die PISA-Studie mit einem methodenkritischen Blick betrachtet hatte (nmz 2/2002).
Die HMTMH würdigte ihren früheren Präsidenten mit einem ausführlichen Nachruf:
Die Mitglieder der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover trauern um ihren früheren Präsidenten Prof. Dr. Klaus-Ernst Behne. Der Musikpsychologe und Mitbegründer des Instituts für Musikpädagogische Forschung verstarb am 9. August 2013 nach langer Krankheit im Alter von 73 Jahren.
„Wir haben einen hoch engagierten, liebenswerten Kollegen und großen Menschenfreund verloren. Seine exzeptionelle Leistung als Forscher seit Ende der 60er Jahre, seine großen verbandlichen Aktivitäten und die Leidenschaft, mit der er Zeit seines Lebens die musikalische Bildung für alle einforderte, bleiben uns unvergessen“, betont Prof. Dr. Hans Bäßler im Namen des Instituts für Musikpädagogische Forschung der HMTMH.
Präsidentin Prof. Dr. Susanne Rode-Breymann erinnert sich an einen Menschen, der sich auf bewundernswerte Weise mit „seiner“ Hochschule identifizierte: „Immer wieder, manchmal ganz spontan, offenbarte sich sein Interesse an den Menschen der Hochschule in Momenten von Zuwendung, in denen er starke Impulse gab – beseelt von der Möglichkeit einer Veränderung menschlicher Konstellationen und Hierarchien. Jedem in der Hochschule billigte er die Freiheit von Weiterentwicklungen zu.“
Geboren am 29. Juni 1940 in Uelzen, studierte Klaus-Ernst Behne Musikwissenschaft, Psychologie, Physik und Schulmusik in Hamburg, Bonn und Freiburg. Ab 1967 war er am Staatlichen Institut für Musikforschung in Berlin tätig. Weitere Stationen waren die PH Bielefeld ab 1972 und die Musikhochschule Detmold, wo er 1975 den Ruf auf die Professur für Systematische Musikwissenschaft annahm.
Am 30. September 1977 wechselte Klaus-Ernst Behne als Professor für Musikpsychologie an die Hochschule für Musik und Theater Hannover und hielt ihr mehr als 20 Jahre die Treue. Zum 1. Oktober 1997 übernahm er das Präsidentenamt von Prof. Peter Becker und führte die Hochschule bis zum 30. September 2003.
„Bei seinem Amtsantritt verdeutlichte er an einem Foto von einer alten Frau und einem Kind, das seinen roten Walkman – mit seiner Musik – der alten Frau reicht, auf eindrückliche Weise seinen Kulturbegriff“, erinnert sich Prof. Dr. Susanne Rode-Breymann. „Dieses Foto, das dann in seinem Präsidentenbüro hing, lud ein, Verantwortung für Kultur zu übernehmen. Ich bin dieses Bild niemals losgeworden, stand es doch für eine durch und durch humane Haltung zu Kultur und Menschen: Es war und ist die Haltung, etwas – nämlich Impulse an Menschen – zu geben, etwas – nämlich die Wahrnehmung für Menschen und ihre Entwicklung – zu befördern. Klaus-Ernst Behne hat die HMTMH durch diese Haltung geprägt. Wir gedenken seiner in großer Dankbarkeit.“ Nach der Präsidentschaft lebte sein Amt als Professor wieder auf, bevor Klaus-Ernst Behne schließlich mit Ablauf des Septembers 2004 in den Ruhestand ging.
Die deutschsprachige Musikpsychologie erhielt durch Klaus-Ernst Behnes Forschung und impulsgebenden Beiträge einen neuen Stellenwert: Nach der Promotion an der Universität Hamburg mit einer experimentellen Studie über die Wahrnehmung des musikalischen Tempos galt sein lebenslanges Forschungsinteresse dem Musikgeschmack, dem Musik-Erleben und der alltäglichen Nutzung von Musik. Seine 1990 veröffentlichte „Hörertypologie“ war ein Meilenstein im modernen Verständnis der vielfältigen Funktionen von Musik im Alltag. Ab 1991 führte er über einen Zeitraum von sechs Jahren die bis heute weltweit einzige Langzeitstudie zur Entwicklung musikalischer Vorlieben bei Jugendlichen durch und bereitete einer veränderten Zielgruppendefinition den Weg
Sein weiteres Forschungsinteresse galt den besonderen Wahrnehmungsanforderungen der zeitgenössischen Musik sowie der musikalischen Kreativität, der Synästhesie und der audio-visuellen Musikwahrnehmung. Seine Lehrfilme zur Beeinflussung des Hörurteils durch das sichtbare Auftrittsverhalten von Musikern gehören zu den Klassikern der experimentellen Musikforschung. Viele seiner Schülerinnen und Schüler, darunter Prof. Dr. Claudia Bullerjahn, heute Justus-Liebig-Universität Gießen, oder Prof. Dr. Andreas C. Lehmann, heute Hochschule für Musik Würzburg, tragen die Musikpsychologie in seinem Namen weiter.
1983 gehörte Klaus-Ernst Behne zu den Gründungsmitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Musikpsychologie, deren Ehrenmitglied er auch war. 1993 verwirklichte er gemeinsam mit Prof. Dr. Franz Amrhein (verstorben im Oktober 2012) und Prof. Dr. Karl-Jürgen Kemmelmeyer das Institut für Musikpädagogische Forschung der HMTMH mit dem Experimentallabor für Musikpsychologie als Keimzelle. 1994 war er erster Autor der von ihm mitbegründeten Reihe der IfMpF-Forschungsberichte. Er engagierte sich gleichsam für die Förderung der Spitzenbegabung und der Breitenbildung in Form der Schulmusik.
Seinen Kollegen bleibt die tiefe Verbundenheit des Wissenschaftlers mit der Kunst in Erinnerung: Klaus-Ernst Behne begeisterte sich für Jazz und Neue Musik, war fotografisch begabt und lernte noch nach seiner Pensionierung ein Instrument. „In Schloß Ricklingen setze er sich mutig für den Bau einer neuen exzellenten Orgel ein“, erinnert sich Prof. Dr. Hans Bäßler. „Mit der Gründung eines Chores trat er den Nachweis an, dass sich Wissenschaft und praktisches Musizieren mitnichten ausschließen!“