Bunt, immer bunter verschwammen die musikalischen Farben in der Karriere Chick Coreas. Selbst der eigentlich so wandelbare Jazz reichte dem Pianisten nicht, um seine Kreativität voll auszuschöpfen. Seine Liebe zur Musik ist auch nach mehr als 100 Alben zu hören.
Als Chick Corea vergangenen Sommer gefragt wurde, wie sein Duett mit dem Banjo-Spieler Béla Fleck ablaufen würde, konnte er das selbst nicht so genau sagen. „Du lässt es einfach laufen und alle gehen mit, deshalb können wir nicht viel darüber sagen, was wir machen werden“, erzählte der Jazzpianist. Trotz seines beachtlichen Erfolgs hat der Musiker sich einen lockeren Umgang erhalten. Am 12. Juni wird der Jazzer 75 Jahre alt.
Ein „volles Jahr weltumspannender kreativer Abenteuer“ verspricht der im US-Staat Massachusetts geborene Meister der Tasten auf seiner Website zum Jubiläumsjahr. Und die Kreativität scheint aus dem experimentierfreudigen Komponisten nur so herauszusprudeln:
Stilsicher bewegte er sich im Lauf seiner Karriere durch die Genres und verdiente sich ein Prädikat, das in der Musikszene häufig überstrapaziert wird: eklektisch. Bei Corea scheint es angebracht.
Nachdem der als Armando Anthony Corea geborene Sohn eines Trompeters und Bassisten bereits mit vier Jahren am Klavier gesessen und früh Unterricht genossen hatte, spielte er in jungen Jahren mit Saxofonlegende Stan Getz und Dizzy Gillespie zusammen. Herbie Hancock und Thelonious Monk durchströmten seine Musik ebenso wie Einflüsse aus Lateinamerika. Star-Trompeter Miles Davis erkannte Coreas Talent und nahm ihn statt Hancock mit auf Tour – mit dem Corea später allerdings auch noch eine Welttournee hinlegen sollte.
Als seien all diese Namen nicht genug, begann Corea musikalisch auch Ausflüge in andere Genres, etwa im brasilianisch angehauchten Album „Light as a Feather“, auf dem er mit „500 Miles High“ und „Spain“ brillierte. Ob mit E-Gitarrist Bill Connors, Flamenco-Klängen auf dem Album „My Spanish Heart“ oder seinem rockigen Elektro-Jazz der 80er und 90er Jahre: Während Coreas Finger über die Tasten schwebten, verwandelte sich sein Jazz in ein musikalisches Kaleidoskop. Nicht umsonst taufte er sein 1992 gegründetes Label „Stretch Records“, das Grenzen dehnen und Kreativität anstelle von Genres stellen sollte.
Publikum wie Kritiker fasziniert, dass dem Lockenkopf selbst die vielseitige und wandelbare Musikrichtung des Jazz offenbar nicht genug Raum ließ. Hinzu kommt eine unverkennbare Liebe zum Spiel über fünf Jahrzehnte, in denen Corea als Bandleader und Solist mehr als 100 Alben veröffentlichte. Wie verbunden er der Musik ist, zeigt sich schon daran, dass er nach einem gelungenen Konzert oft stundenlang allein weiterspielt anstatt sich an einer Bar unters Volk zu mischen.
Den gern kolportierten Gegensatz von klassischer Musik und Jazz verkehrte Corea mit seinem Spiel oft ins Gegenteil, etwa mit seinem Album „The Mozart Sessions“, das er mit Bobby McFerrin und dem Saint Paul Chamber Orchestra aus Minnesota aufnahm. Unvergessen dürfte die Aufführung seines zweiten Klavierkonzerts „The Continents“ im Wiener Mozartjahr 2006 bleiben. Am Klavier ist Corea, der für 63 Grammys nominiert wurde und 22 Trophäen gewann, so aktiv wie eh und je.
Vielleicht ist es seine unverkrampfte Art, dank der die Musik auch bei Konzerten einfach aus ihm herausfließt. Am liebsten trete er in lockerer Atmosphäre auf, als würde er einfach „rumhängen“, verriet er im Interview mit Béla Fleck. „Man versetzt die Zuschauer in dieses entspannte Verhalten, sie fühlen sich wohl und können zuhören.“ Genau diese Ruhe und Lockerheit färbe dann auf ihn ab: „Die Dinge beginnen zu rollen und die Kreativität wird immer weniger eingeschränkt. Man lässt einfach los.“