Seine Stimme wird fehlen. Der Musikjournalist Hartmut Lück ist nach kurzer Krankheit am 4. Juli in Bremen gestorben.
Viele Jahre hat er nicht nur den Bremer Konzertbetrieb kritisch begleitet und darüber hinaus in Radiosendungen unter anderem bei Radio Bremen, dem Deutschlandfunk, dem Hessischen Rundfunk und Moderationen sein umfangreiches Wissen über Musik gestaltet. Neben weiteren Tätigkeitsfeldern war er künstlerischer Programmberater der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Unvergessen sind dem Konzertpublikum auch seine Werkeinführungen, besonders die über zeitgenössische Musik. Hier wie auch in seinen Sendungen machte er aus seiner Sehschwäche, die ihm nicht erlaubte, ein Manuskript zu lesen, eine einzigartige Tugend: er beherrschte die freie Rede druckreif. Wenn man seine viele Jahre bei Radio Bremen moderierte Sendung „Viel Lück mit Musik“ hörte, konnte man es manchmal kaum glauben, dass es sich um eine freie Rede handelte.
Was seine Haltung und seinen Stil auszeichnete, war die Stringenz des Zusammenhanges von ästhetischer Qualität und politischer Aussage. Unerbittlich war er im Urteil über politische Positionen von Komponisten, unerbittlich aber auch im rein ästhetischen Urteil. Bei Hartmut Lück musste beides zusammenpassen, was ihn zu bestimmten Komponisten führte: Hans Werner Henze und Luigi Nono zum Beispiel, aber auch Karl Amadeus Hartmann und Helmut Lachenmann. „Das Kunstwerk ist in erster Linie Kunstwerk, und nur als solches kann es jene karthartische Wirkung entfalten, die politische Gehalte als sinnfällig, nachvollziehbar und anspornend erscheinen lässt“, schrieb er 2005 in einem Aufsatz.
Hartmut Lück wurde 1939 in Posen geboren, wuchs nach dem Fronttod seines Vaters 1942 mit zwei Brüdern in Lübeck auf, studierte in Marburg und München Slawistik und Germanistik und im Nebenfach Musikwissenschaft und wurde in Bremen promoviert mit dem literaturwissenschaftlichen Thema „Fantastik, Science-fiction, Utopie. Das Realismusproblem der utopisch-fantastischen Literatur“. Zahllos sind seine Schriften und Interviews zur zeitgenössischen Musik über Luigi Nono, Helmut Lachenmann, György Kurtág, Karl Amadeus Hartmann, Hans Werner Henze und viele andere. Über vierzig Jahre war er im Jury-Team des Preises der deutschen Schallplattenkritik und viele Jahre prägte er auch diese Zeitung als Autor von Interviews, Schallplattenkritiken und streitbaren Kommentaren, die gerne in der Rubrik „Rückblende“ zur erneuten Lektüre hervorgeholt werden. Noch lange nach seiner Pensionierung, sogar bis kurz vor seinem Tod war die kritische Stimme von Hartmut Lück bundesweit präsent.
In zahlreichen Podiumsdiskussionen, in denen er häufig lange schwieg, um am Ende seine sprachlich geschliffenen Resumees regelrecht zu präsentieren, überzeugte er immer wieder von seiner stets neugierigen Suche des gemeinsamen Ortes von Kunst und Gesellschaft. Eines der letzten schriftlichen diesbezüglichen Dokumente ist der 2005 mit dem Friedensforscher Dieter Senghaas herausgegebene Band „Vom hörbaren Frieden“.
Persönlich möchte ich Hartmut danken für Hilfe und Fürsorge, die er mir bei meiner Ankunft in Bremen in verschiedenen Institutionen zukommen ließ.