Die Violinistin Anne-Sophie Mutter ist absolute Weltklasse. Publikum und berühmte Namen der Musikbranche loben sie in höchsten Tönen. Doch selbst einer Stargeigerin fällt nicht alles immer einfach nur zu, wie die Münchnerin anlässlich ihres 60. Geburtstags verrät.
München - Wäre es nach ihren Eltern gegangen, wäre Anne-Sophie Mutter womöglich nie Violinistin geworden. Die Töne beim Geige-Üben eines Kindes aus der Nachbarschaft hatten die Familie so verschreckt, dass sie dagegen war. Doch das Mädchen setzte sich durch - zum Glück für die Musikwelt. Mutter begeisterte schon in jungen Jahren mit ihren musikalischen Fähigkeiten und stieg zur Star-Geigerin auf. Nun feiert die Münchnerin ihren 60. Geburtstag, am Donnerstag (29. Juni).
In der Musik ging die kleine Anne-Sophie aus dem baden-württembergischen Rheinfelden/Baden auf. Mit sechs Jahren gewann sie bei «Jugend musiziert» den ersten Preis mit besonderer Auszeichnung an der Geige und den ersten Preis mit ihrem Bruder Christoph vierhändig am Klavier. Das Kultusministerium von Baden-Württemberg sah eine Jahrhundertbegabung und befreite sie von der Schulpflicht. Stattdessen bekam sie Privatunterricht.
Bald wurde auch der Dirigent Herbert von Karajan aufmerksam und holte die Jugendliche mit knapp 14 Jahren zu den Salzburger Festspielen. Viel Ruhm und Ehre, nicht ganz billig für die Eltern, die für die Leidenschaft ihrer Tochter viel zahlen mussten. «In unserem Fall sind es immerhin pro Jahr einige 1000 Mark», sagte der Vater damals in einem Fernsehinterview, das in einem Ausschnitt im Dokumentarfilm «Vivace» zu sehen ist, der aktuell in der ARD-Mediathek verfügbar ist.
Finanzielle Opfer für die Familie, die sich lohnten: Mutter ist ein Star, der mit so ziemlich allen berühmten Namen der Musikwelt zusammengearbeitet hat, etwa Sofia Gubaidulina, Sir Simon Rattle, Daniel Barenboim oder Mariss Jansons. Komponisten wie Krysztof Penderecki, Wolfgang Rihms oder ihr späterer Mann André Previn schrieben eigens für sie Stücke.
Viele Glücksfälle gibt es in Mutters Leben, doch ebenso harte Arbeit, Fleiß und Unerschütterlichkeit. «Ich bin generell dankbar für alles Wunderbare und auch für die schwierigen Aufgaben, die das Leben mir wie so vielen anderen gestellt hat und die ich immer versucht habe, zu meistern», resümiert die Musikerin im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Ein schwerer Schlag war der Tod ihres ersten Mannes Detlef Wunderlich, Vater ihrer beiden Kinder, der 1995 an Krebs starb. «Für mich gibt es Aufgeben nicht», schildert Mutter ihr Motto, in dem sie durch diese schlimme Erfahrung bestärkt wurde. «Wenn man als alleinerziehende Mutter zwei Kinder aufzieht, dann ist eine positive Kraft notwendig.»
Kraft, die sie auch immer wieder in der Musik findet. «Ich hatte das wahnsinnige Glück, dass ich diesen Beruf nicht nur ergreifen wollte, sondern immer noch mit großer Leidenschaft lebe.» Doch selbst sie kennt das Gefühl, an manchen Stücken zu verzweifeln. «Ich ringe seit Jahrzehnten um das schönbergsche Violin-Konzert», sagt sie über die Komposition von Arnold Schönberg, die manchen als extrem schwierig, wenn nicht als unaufführbar gilt. Doch aufgeben? Nicht Mutter. «Ich werde es ab und zu wieder versuchen, einfach weil ich es ein gutes Exerzitium finde. Und meistens entdeckt man doch eine Andockstelle, über die man dann die Hürde nehmen kann.» Das sei spannend. «Und es hat natürlich ein gewisses Suchtpotenzial, etwas Neues zu lernen.»
Musik ist nicht alles im Leben der naturverbundenen Münchnerin, die die Berge liebt und für «Star Wars» schwärmt. «In ihrem Wesen ist sie von mitreißender und ansteckender Energie und Lebensfreude, ihre Interessen gehen weit über die Musik hinaus, gehen vom Kino bis zur Literatur und der Malerei. Sie hat sich ein kindliches Staunen und Staunen-Können bewahrt», lobte unlängst der Komponist Jörg Widmann bei der Preisverleihung des Klavier-Festivals Ruhr 2023. «Und sie nutzt im besten Sinne immer wieder ihre Stellung im Musikleben, um sich für die Bedürftigen, die Schwachen, die nicht so Privilegierten einzusetzen.»
Mutter fördert den musikalischen Nachwuchs, fordert bei Bayerns Staatsregierung energisch den Neubau des Konzerthauses in München ein und ist Präsidentin der Deutschen Krebshilfe, auch aufgrund der Krankheit ihres ersten Mannes. Wer sie trifft, erlebt eine fröhliche, zugewandte und neugierige Frau, die spannend erzählt, oft lacht und gern feiert, «am besten täglich», wie sie sagt. Rund um ihren Geburtstag will sie verreisen, «mit meinem Bruder, ein paar Freunden und natürlich meinen Kindern», verrät sie. «Familytime ist immer herrlich, da ist der Geburtstag ein sehr guter Vorwand.»