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Nikolaus Lehnhoff. Foto: Matthias Creutziger, Semperoper
Nikolaus Lehnhoff. Foto: Matthias Creutziger, Semperoper
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Nikolaus Lehnhoff, der Ästhet unter den Regisseuren, ist tot

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Jede Zusammenarbeit mit ihm war ein Ereignis, war bereichernd, lehrreich und verlief stets ohne lautstarkes Debakel, wie es mit so vielen anderen „Star-Regisseuren“ oft an der Tagesordnung zu sein schien. Warum war das mit ihm anders, weil er selbst sich eben nicht als einer der Stars sah? Dabei wusste Nikolaus Lehnhoff durchaus um seinen Wert, um seine Qualitäten. Die hatten mit Inhalt und Deutung zu tun, mit musikalischem Ausdrucksgehalt und inszenatorischer Umsetzung.

Nikolaus Lehnhoff, 1939 in Hannover geboren und nun im Alter von 76 Jahren in Berlin gestorben, er war der Ästhet unter den Regisseuren. Und womöglich der internationalste unter den deutschen Musiktheaterheroen. Lehnhoff provomierte über den Humor in Richard Wagners „Meistersingern von Nürnberg“. Dem Schaffen dieses Dichter-Komponisten blieb er zeitlebens verbunden. Insbesondere am Grünen Hügel von Bayreuth machte der Regisseur von sich reden. Als letzter Assistent von Wieland Wagner wurde ihm ein schwer lastendes Etikett angeheftet, dessen er sich aber nie lasterhaft bedient hatte. Im Gegenteil, Lehnhoff wirkte stets in irgendwie jungenhafter Weise bescheiden. Juvenil wirkte er, um dessen Krankheit die Opernwelt seit langem wusste, bis fast zum Schluss. Er betrieb seine Arbeit voller Demut vor dem Werk und vor den Protagonisten. Eine seiner Lieblingssängerinnen war Anja Silja, die er mit ebenbürtiger Klugheit in zahlreichen Produktionen einsetzen konnte; aber auch für seinerzeit junge Talente wie Nina Stemme, Michael Volle sowie Thomas Hampson hatte der Regisseur rechtzeitig ein feines Gespür.

Unvergessen ist seine Begeisterung für Diana Damrau und den damals noch kaum bekannten Juan Diego Floréz im Dresdner „Rigoletto“. Und als geradezu legendär gelten sein Wagner-„Ring“ von San Francisco sowie dessen Neuinterpretation an der Bayerischen Staatsoper München, die unter Wolfgang Sawallisch in der Ausstattung von Erich Wonder in Wochenfrist gezeigt wurde. Ein Novum nicht um der Novität willen, sondern um die Tetralogie in ihrem ureigensten geistig-musikalischen Zusammenhang erlebbar zu machen. Noch lange davor sorgte sein Debüt an der damals von Rolf Liebermann geleiteten Opéra de Paris mit der „Frau ohne Schatten“ für Aufsehen (nicht zuletzt wegen der unvergesslichen Besetzung mit Christa Ludwig und Leonie Rysanek).

Nikolaus Lehnhoff betrieb sein Inszenierungstum aus dem Geist der Musik heraus, hat dafür die passenden Stimmen gewählt und war auch entsprechende Stimmung bedacht. So hat er seinem Musikverständnis entsprechend die Ausstatter gewählt: Deren Ästhetik musste sich mit seiner Auffassung von der Wirkungskraft der jeweiligen Oper begegnen, dann wurde ein Ereignis daraus. Das bewies sich im klassischen Musiktheater von Wagner und Strauss ebenso wie bei Hans Werner Henze, Puccini, Poulenc und selbst bei „Dead Man Walking“ von Jake Heggies.

Mit seinem Schaffen ist der Feingeist wie kein zweiter deutscher Opernregisseur weltweit wirksam gewesen, war gefragt in Europa und Übersee, hat in Glyndebourne für Schlagzeilen gesorgt, war wiederholt in Salzburg und Baden-Baden gefragt; ganz zuletzt hat er nochmal in Mailand an der Scala gearbeitet, um dieses Jahr zur Expo Puccinis „Turandot“ (die er einst mit dem Berio-Finale uraufgeführt hatte) herauszubringen.

Um auf das Promotionsthema zurückzukommen: Humor war etwas, das man ihm auf  den ersten Blick gar nicht zugetraut hätte. Doch im Gespräch – und auch bei den Probenarbeiten – entwickelte Nikolaus Lehnhoff einen subtilen und intelligenten Humor. Er war eben ein Feingeist, ein gebildeter zumal.

Beizeiten hatte er ein Gespür dafür entwickelt, seine Arbeiten nicht nur zu exportieren, sondern auch für die Nachwelt zu erhalten. Was für ein Glück, dass zahlreiche Produktionen von Nikolaus Lehnhoff heute auf DVD konserviert sind. Und ein doppeltes Glück ist das zu seinem 75. Geburtstag im Henschel-Verlag herausgekommene Buch „Die Oper ist das Reich des Scheins“ von Birgit Pargner, denn darin sind nahezu alle Stationen und Inszenierungen von Nikolaus Lehnhoff nebst zahlreichen Fotografien und einem stimmungsvollen Porträt dieses Ausnahmeregisseurs zu finden.

Die Trauer in seiner geliebten Bleibe am Schiffbauerdamm in Berlin wird durch diesen Nachlass ebensowenig gemildert wie durch die nun erscheinenden Nachrufe. Aber auch da wird man sich der klugen und gewitzten Begegnungen mit Nikolaus Lehnhoff erinnern.

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