Pokern an Opern? Mit dem Androhen einer Kündigung sollte man vorsichtig sein. Das gilt generell, denn sie könnte ja angenommen werden. Vor dem eigenen Amtsantritt ist solch eine Drohung aber ganz dünnes Eis, wie das jüngste Kapitel Semperopern-Geschichte beweist. Man hätte sich gerne lautlos und in gegenseitigem Einvernehmen von Serge Dorny getrennt. Das sei aber nach seinem letzten Auftritt, „auf den ich hier nicht näher eingehen will“, nicht mehr möglich gewesen, ließ Sachsens Kunstministerin Sabine von Schorlemer am Dienstag die zahlreich erschienen Pressevertreter wissen.
Das sind so Informationen, auf die Feingeister gerne verzichten würden, die im kommunikativen Alltag des Musiktheaters aber für boulevardeske Würze sorgen. Zumal nach der fristlosen Aufhebung des Vertrags von Serge Dorny als künftigem Intendanten der Semperoper (nmz online vom 21.2.2014) noch ein paar Nachtritte ausstanden. Ob die aber zur Offenlegung oder zu weiterem Verschleiern beitragen würden, war durchaus eine offene Frage. Die sorgte letztlich für den heftigen Ansturm zur eilends anberaumten Pressekonferenz mit Sabine von Schorlemer, Chefdirigent Christian Thielemann, Orchesterdirektor Jan Nast und dem Kaufmännischen Geschäftsführer der Semperoper, Wolfgang Rothe.
Wer dabei fehlte, war – wenig überraschend – der Mann, um den es eigentlich ging. Serge Dorny hätte zum 1. September als Intendant in Dresden antreten sollen. Immerhin ist das Haus bereits seit dem Tod von Ulrike Hessler, die im Sommer 2012 ihrem Krebsleiden erlag, verwaist. Spürbar verwaist, wie inzwischen auch manche unergründliche Besetzung im Spielplan beweist.
In der vergangenen Woche wurde dem gebürtigen Belgier und Noch-Intendanten der Oper Lyon kurzerhand der Stuhl vor die Tür gestellt. Nun war die Hoffnung enorm, genauere Gründe für derart derbe ministerielle Worten zu erfahren: „Umso bedauerlicher ist es, dass Serge Dorny entgegen seinen Zusagen in den vergangenen Monaten leider kein Klima des gedeihlichen und vertrauensvollen Miteinanders mit den Mitarbeitern, sowohl in den künstlerischen als auch in den administrativen Bereichen der Oper, etablieren konnte. Vorhandenes und entgegengebrachtes Vertrauen von allen Beteiligten hat er in kürzester Zeit verspielt. Zu unserer großen Enttäuschung hat er den Erwartungen, die wir in ihn gesetzt hatten, nicht entsprochen“, so die parteilose Kunstministerin.
Ursprünglich sollte am Mittwoch dieser Woche ein klärendes Gespräch zwischen Dorny und von Schorlemer geführt werden. Sie habe aber zehn Tage zuvor einen Forderungskatalog von ihm erhalten, der ultimativ nach politischer Zustimmung verlangt habe. Anderenfalls wolle er fristlos kündigen. Diesem Schritt ist sie nun überraschend zuvorgekommen. Überraschend? Das Eis ist nicht ge-, sondern zerbrochen, der Rest ist ein Scherbenhaufen.
Christian Thielemann zumindest meinte, die Trennung sei unausweichlich gewesen und habe für Erleichterung in der Oper und vor allem wohl in der Staatskapelle gesorgt. Damit habe jede Menge „Explosionspotential“ vermieden werden können, das bei einem Amtsantritt unter den sich herauskristallisierenden Gegebenheiten inzwischen unvermeidlich gewesen wäre. Zwar verwies er auf feine Gespräche unter Gourmets und betonte, dass es von ihm „nicht eine einzige Rangelei“ gegeben habe – aber so rechte Trauer über den Ausgang dieses Kapitels strahlte die Runde am Dienstag nicht aus.
Stattdessen solle der Blick rasch nach vorn gerichtet werden. In Aussicht gestellt wurde eine weitere Übergangszeit ohne Intendanten, die wie bisher, seit Ulrike Hesslers Tod, unter der Verantwortung von Wolfgang Rothe stehen werde. Voraussichtlich bekomme er einen künstlerischen Berater zur Seite – was sinnvoll wäre, da just dieser Bereich aufgrund der unabsehbaren Zukunft bereits einige personelle Fehlstellen am Hause aufweist. Da erweist es sich als doppelt hilfreich, dass Rothe in Sachsen verbleibt und keine Intendanz an anderer Stelle erhält.
Was allerdings aus den zwischenzeitlich von Serge Dorny getroffenen Entscheidungen wird, ist nach wie vor offen. Selbst eine zumindest für die betroffene Zunft „heilige Kuh“ wie den Dresdner Opernball wollte er schlachten – dieses Rad wird wohl umgehend zurückgedreht werden – was gewiss nur ein halbherziges Aufatmen nach sich zu ziehen scheint. Als sicher gelten darf inzwischen, dass dem Dissens ein teurer Rechtsstreit folgen wird. Das Opern-Pokern geht weiter.