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Orkanstimme im «Club 27» - Vor 50 Jahren starb Janis Joplin. Foto: Hufner
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Orkanstimme im «Club 27» - Vor 50 Jahren starb Janis Joplin

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Ihre gewaltige Blues-Stimme und explosive Bühnen-Performance faszinieren bis heute. 50 Jahre nach dem elenden Drogentod in einem Hotelzimmer ist Janis Joplin eine Pop-Ikone. Die US-Sängerin stieß für viele Frauen in der Rockmusik die Tür weit auf.

Berlin - Seit ihrem Tod vor 50 Jahren gehört Janis Joplin zu einem Club, dem keines seiner Mitglieder beitreten wollte und dessen Existenz Musikfans in aller Welt bis heute traurig macht: dem berüchtigten «Club 27» der prominenten Exzess-Opfer des Rock'n'Roll. Innerhalb von zwei Jahren, zwischen Juli 1969 und Juli 1971, starben vier der größten Rock-Talente an den Folgen ihres wilden, ungezügelten Lebensstils - alle gerade mal 27 Jahre alt.

Neben dem Rolling-Stones-Gitarristen Brian Jones, dem düsteren Songdichter Jim Morrison (The Doors) sowie Saiten-Genie Jimi Hendrix war die am 4. Oktober 1970 gestorbene Joplin lange Zeit die einzige Frau in dem «Club»-Quartett. Nach Ansicht vieler Pop-Verehrer kam 40 Jahre später eine weitere Sängerin hinzu: Amy Winehouse (1983-2011).

«Janis Joplin hat sich nie ausgeruht», schreibt ihre Biografin Holly George-Warren in einer voriges Jahr erschienenen, hoch gelobten Lebensschilderung der US-Amerikanerin. «Sie umarmte das Leben mit einer freudigen Wildheit und konnte doch nie einer fundamentalen Dunkelheit entfliehen, die auf Einsamkeit zurückging.» Die beiden Pole, die auch Joplins so entfesselten wie zärtlich-melancholischen Gesang und ihre Performance prägten, sind hier genannt. George-Warren findet im Wesen dieser belesenen, im Innersten sehr verletzlichen Künstlerin auch Gründe für ihren fatalen Drogenmissbrauch.

Nicht nur wegen der Umstände ihres Heroin-Todes in einem Hotelzimmer in Hollywood ging die am 19. Januar 1943 in Port Arthur im US-Staat Texas geborene Blues- und Rocksängerin in die Musikgeschichte ein. Joplin verfügte über eine bis heute unerreichte, drei Oktaven umspannende Orkanstimme. Ihr Gesang war nicht schön im herkömmlichen Sinne - aber unfassbar intensiv. «Sie war heiser und kreischte wie eine angeschossene Eule», sagte später ihr Weggefährte Nick Gravenites.

Hinzu kam gutes Timing: Joplin wurde bald nach ihrem Auftauchen in der Szene Kaliforniens Mitte der 1960er Jahre (zunächst als Frontfrau der Band Big Brother And The Holding Company) zu einer Ikone der Hippiekultur. Und wegen des auf und neben der Bühne zumindest ausgestellten Selbstbewusstseins geriet sie zu einer frühen feministischen Leitfigur. Mit ihrer Bedeutung für den Mythos der popkulturell so einflussreichen Sixties-Gegenkultur stehe sie direkt hinter Bob Dylan, urteilte später das US-Magazin «Rolling Stone».

Ein Rockkritiker des Magazins «Newsweek» beschrieb ihre Wirkung im Konzert unter der Überschrift «Rebirth of the Blues» (Wiedergeburt des Blues): «Beim inzwischen historischen Monterey International Pop Music Festival 1967 sprengte ein Nitroglyzerin-Sprengstoff namens Janis Joplin die Welt des Rock weit auf. Durch den Gesang mit der gequälten Leidenschaft, der zu ihrem Wahrzeichen geworden ist, ist sie der erste weibliche Superstar des Rock geworden.»

Sie selbst erinnerte sich so daran: «Urplötzlich stellte mich jemand vor diese Rock'n'Roll-Band. Und ich entschied, dass es das für mich war. Ich wollte nie etwas Anderes machen.» Mit der Kozmic Blues Band spielte sie beim heute legendären Woodstock Festival 1969.

«Ihr rauer Bluesrock war der Soundtrack zum «Sommer der Liebe» von San Francisco», schrieb der «Guardian» 2015 zur Filmdokumentation «Janis: Little Girl Blue». Joplin habe «eine der leidenschaftlichsten Stimmen der Rockhistorie» besessen, hieß es 1995 zur Einführung in die Rock And Roll Hall of Fame. Bei der Zeremonie in Cleveland/Ohio - ein Vierteljahrhundert nach Joplins Tod - sprach Melissa Etheridge, hörbar eine große Verehrerin: «Janis hat mir Mut eingehaucht, Rockstar statt Sekretärin werden zu wollen», sagte die US-Sängerin.

Was wäre aus Joplin (Spitzname: «Pearl») geworden, hätte sie mehr als nur die paar heftigen Jahre seit Mitte der 60er gehabt? Die Autorin von «Janis: Little Girl Blue», Amy Berg, nennt das Ende «so tragisch. Sie hatte endlich eine Balance zwischen Kreativität und persönlichem Leben gefunden.» Denn 1970 habe die Musikerin ihre besten Songs aufgenommen und sich in einer stabilen Beziehung befunden.

Das Album «Pearl» erschien - inklusive dem von Kris Kristofferson für Joplin geschriebenen Welthit «Me And Bobby McGee» - posthum im Februar 1971. Es führte lange die US-Charts an und wird in vielen Kritikerlisten bis heute als eine der besten Platten aller Zeiten geführt. Sängerinnen wie Etheridge, Bette Midler, Alanis Morissette, Bonnie Raitt oder Pink beziehen sich auf Joplin, deren eigener Stil wiederum auf afroamerikanischen Blues- und Soul-Künstlerinnen wie Bessie Smith, Odetta, Etta James und Aretha Franklin basierte.

«Lieber zehn überglückliche, ausgelassene Jahre als 70 zu werden, um in irgendeinem verdammten Sessel dem Fernseher zuzuschauen» - auch dieses Zitat wird Joplin zugeschrieben. Ihre Zeitspanne des Glücks war dann noch kürzer. «Janis starb an einer Überdosis Janis», meinte später der britische Bluesrock-Kollege Eric Burdon.

Ihr letztes großes Konzert spielte Joplin in Massachusetts vor 40 000 Fans - wenige Wochen vor ihrem Tod, mit dem sie Jimi Hendrix (gestorben am 18. September 1970) unmittelbar folgte. Ihre Asche soll entlang der nordkalifornischen Pazifikküste verstreut worden sein. Auf den Einladungen zu ihrer Totenwache stand: «Drinks are on Pearl».

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