Hauptbild
Unwort des Jahres. Grafik: Hufner
Unwort des Jahres. Grafik: Hufner
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Personalia 2010/12

Publikationsdatum
Body

Die nmz-Leser haben entschieden: „Grundmusikalisierung“ ist das Musik-Unwort des Jahres – Zwei Musikerleben: Zum Tod von Henryk M. Gorecki – Heiße Leidenschaft fürs Coole: Der Pianist und Komponist Dave Brubeck wird 90 – Mutterakkorde und Modi: Bremer Medaille für Kunst und Wissenschaft für Younghi Pagh-Paan

Die nmz-Leser haben entschieden
„Grundmusikalisierung“ ist das Musik-Unwort des Jahres

Die Entscheidung ist gefallen: „Grundmusikalisierung“ ist das nmz-Musik-Unwort des Jahres 2010. Mit einer deutlichen Mehrheit von 49 Prozent setzte sich der Begriff gegen „JeKi“ (37 Prozent) und „(Musik-)Vermittlung“ (13 Prozent) durch. Offenbar ließ sich die Mehrzahl der knapp 1.000 Leserinnen und Leser, die an der Abstimmung online oder per Post teilnahmen, von Barbara Metzgers Begründung überzeugen. Sie hatte unter anderem wie folgt argumentiert:

„Kein Mensch kann musikalisiert werden, er hat bereits vor der Geburt alle musikbezogenen Verhaltensweisen in sich, die er und nur er eventuell durch ein entsprechendes Umfeld entwickeln kann. Außerdem schwingt noch die Assoziation zur militärischen Grundausbildung mit, was den Begriff nicht sympathischer werden lässt. Wenn es denn auch noch ‚Musikalisierungs-Kampagnen‘ gibt, so kommt es mir vor, als würde ich im Supermarkt die Obst-Kiste billig kaufen, weil dort gerade eine ‚Ernähr-dich-gesund‘-Kampagne läuft – egal, was in der Kiste drin ist.“
Preisträger unserer Verlosung sind:

1. Preis (Festivalpass „Eclat“und Übernachtung): Katharina von Busch, Celle
2. Preis (After Weekend Arrangement im Hotel Orphée): Susanne Hehenberger, Anthering (Österreich)
3. Preis (Einkaufsgutschein nmz-shop): Mechtild Kohler-Röckl, Würzburg
4.–6. Preis (ConBrio-Gutscheine): Berthold Schindler, Parsberg; Ewa Wojcik, Bielefeld; Johannes Groß, Bochum

Wir gratulieren und danken herzlich fürs Mitmachen, Fortsetzung folgt!

Der Bayerische Rundfunk berichtet am 3.12. um 15.20 Uhr in seiner Sendung „Sozusagen!“ über die nmz-Unwort-Wahl.

Zwei Musikerleben
Zum Tod von Henryk M. Gorecki

Der polnische Komponist Henryk Mikolaj Gorecki hat strenggenommen zwei Leben gelebt: Das erste diente der Beschäftigung mit freier Atonalität und dem Serialismus. Seine „Scontri für Orchester“ aus dem Jahr 1960 bedeuteten die konsequente Serialisierung aller Parameter, wobei überraschenderweise fast wundersam starke Klangfarben hervortraten. Beim „Warschauer Herbst“ jener Jahre und in Paris fanden die Werke Goreckis starke Beachtung. Es wäre an der Zeit, sich wieder einmal mit dieser Phase des Komponisten Gorecki zu beschäftigen. Sie steht im Schatten späterer Erfolge, zu denen besonders die „Symphonie der Klagelieder“ für Sopran solo und Orchester aus dem Jahr 1976 zählt. Goreckis Hinwendung zur einer neuen Tonalität, die auf Kirchen- und Volkslieder zurückgriff, irritierte die Neue-Musik-Szene merklich. Die Uraufführung in Royan im Jahr 1977 hatte nur mäßigen Erfolg.

Als sechzehn Jahre später die London Sinfonietta unter David Zinman und mit der Sopranistin Dawn Upshaw das Werk einspielte, änderte sich das Urteil schlagartig, zumal ein privates englisches „Classic Radio“ den zweiten Satz aus der Sinfonie längere Zeit als Erkennungsmusik für Werbesendungen benutzte. Gorecki avancierte gleichsam zum Popstar, verkaufte dreihunderttausend CDs und errang Platz sechs in den englischen PopCharts.

Goreckis Schaffen erreicht sicher nicht die Ausstrahlung eines Penderecki oder Lutoslawski. Aber für die Weltgeltung der zeitgenössischen polnischen Musikszene hat er einen wichtigen Beitrag geleistet. Jetzt ist der am 6. Dezember 1933 in Czernica bei Rybnik geborene Henryk Mikolaj Gorecki nach schwerer Krankheit in Kattowitz gestorben.
Gerhard Rohde

Heiße Leidenschaft fürs Coole
Der Pianist und Komponist Dave Brubeck wird 90

Volle weitgespannte Akkorde, ungerade Taktarten, melodiöse Soli, Kompositionen für Orchester – Dave Brubecks Klangsprache stammt aus einer Zeit, in der Neue Musik und Jazz noch nicht getrennte Wege gingen. Begonnen hatte Brubecks musikalische Laufbahn bereits im Elternhaus in Concord (Kalifornien). Die Mutter war Pianistin und brachte ihm schon früh das Klavierspielen bei. Mit 13 Jahren trat er in Profi-Bands auf. Er studierte zunächst Tiermedizin, änderte jedoch rasch seine Richtung und widmete sich fortan ganz der Musik. 1943 hatte Brubeck Gelegenheit, an der University of California Vorlesungen bei Arnold Schönberg zu besuchen, zu seinen Professoren in Mills Oakland gehörte später auch der französische Komponist Darius Milhaud, bei dem  er 1946 ein halbes Jahr studiert. Dieser ermutigte ihn, sich nicht nur mit klassischem Klavier, sondern mit Kontrapunkt und Arrangement zu beschäftigen. Die Freiheit des Improvisierens gefiel ihm so gut, dass er nie wieder davon ablassen sollte. Noch während des Studiums gründete Brubeck seine erste Band. Mit dem bald als „West Coast Cool“ bekannten Sound eroberte sie als erste Jazz-Gruppe die Konzertsäle der Universitäten und Hochschulen in den USA – ein deutliches Zeichen dafür, dass der Jazz die „Schmuddel-ecke“ verlassen hatte. In führenden amerikanischen Clubs trat das „Dave Brubeck Quartet“ mit Stars wie Stan Getz, Charlie Parker und Dizzy Gillespie auf.

Später tourte die Band, deren Besetzung öfter wechselte, um die ganze Welt. In diesem Jahr sind allerdings nur seine Söhne in Europa auf Tournee – ob Dave Brubeck noch einmal über den Atlantik reisen wird, ist ungewiss. Am 6. Dezembert wird Dave Brubeck 90 Jahre alt.

Mutterakkorde und Modi
Bremer Medaille für Kunst und Wissenschaft für Younghi Pagh-Paan

„In Würdigung Ihrer kulturellen Verdienste und Ihres weitreichenden internationalen Ansehens“ hat der Senat der Freien Hansestadt Bremen die international renommierte Komponistin und langjährige Professorin an der Hochschule für Künste Bremen Younghi Pagh-Paan mit der „Bremischen Medaille für Kunst und Wissenschaft ausgezeichnet.

Younghi Pagh-Paan, Professorin für Komposition an der Hochschule für Künste Bremen, feierte am 30. November 2010 ihren 65. Geburtstag und wird am Ende des Wintersemesters 2010/11 emeritiert. An der HfK unterrichtet sie über 16 Jahre. Bereits kurz nach der Berufung von Younghi Pagh-Paan zur Professorin für Komposition an die Hochschule für Künste Bremen begründete sie 1994 das Atelier Neue Musik. Es versteht sich bis heute als Werkstatt zeitgenössischer Musik und ist im Laufe der Jahre zu einem Zentrum für Aktivitäten geworden, die eine breite Öffentlichkeit in Bremen und über Bremen hinaus erreichen.

Younghi Pagh-Paan wurde 1945 in Cheongu, Südkorea, geboren. Von 1965 bis 1971 studierte sie an der Seoul National University, bis sie durch ein Stipendium des DAAD nach Deutschland kam. An der Musikhochschule Freiburg i. Br. studierte Younghi Pagh-Paan ab 1974 bei Klaus Huber (Komposition), Brian Ferneyhough (Analyse), Peter Förtig (Musiktheorie) und Edith Picht Axenfeld (Klavier) und schloss ihr Studium 1979 ab.

International bekannt machte sie die Aufführung ihres Orchesterwerkes „SORI“ bei den Donaueschinger Musiktagen 1980. Bereits in „SORI“ sind die Hauptlinien der kompositorischen Ästhetik erkennbar, die Younghi Pagh-Paan 1983 in ihrem Grundsatztext „Unterwegs: Reflexionen über meine Tätigkeit als Komponistin“ formuliert hat: die Strukturierung von Klangraum und Harmonik durch „Mutterakkorde“, wobei durch Permutation der Akkordtöne eine Art fluktuierender Statik entsteht; die Arbeit mit rhythmischen Modi; die Gestaltung der Linie auf der Basis der expressiven koreanischen Vokalmusik; ein ganzheitlicher Klangbegriff, der gemäß der koreanischen Tradition keinen Unterschied zwischen Ton und Geräusch macht; schließlich die spezifische Form der Mehrstimmigkeit, die die Komponistin als heterophonen Kontrapunkt bezeichnet.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!