Moritz Eggert zum Tod der Theremin-Spielerin Barbara Buchhholz +++ Preisregen in Bremen: Siggi Loch, Hans-Jürgen Linke und Julia Hülsmann +++ Münchner Musikpreis und Jazz-Echo an die Unterfahrt +++ Rainer Mehlig zum Siebzigsten Von April 1971 bis Mai 2005 leitete Rainer Mehlig als Geschäftsführer die Geschicke
Hingabe an den berührungslosen Klang – Moritz Eggert zum Tod der Theremin-Spielerin Barbara Buchhholz
In der „Nacht der Virtuosen“ auf der Lit.Cologne 2012 am 17. März war die Theremin-Spielerin Barbara Buchholz noch in der Kölner Oper zu erleben. Am 10. April musste sie den Kampf gegen ihr langes Krebsleiden aufgeben. Auf ihrem berührungslos gespielten elektronischen Instrument bewegte sich die Virtuosin zwischen Improvisation und Elektronik, Neuer Musik und Noise, zwischen Jazz und Folk wie keine andere. Sie positionierte das Theremin musikalisch völlig neu und beschritt neue Wege im Experimentierfeld der zeitgenössischen Musik.
Die Wahl-Berlinerin Barbara Buchholz wurde 1959 in Duisburg geboren und studierte Querflöte, Gitarre, Bass und Gesang in Bielefeld. Seit Beginn der 1980er-Jahre arbeitete sie als Performerin und Komponistin in zahlreichen interdisziplinären Projekten und im Bereich der Theatermusik.
Ihre Produktionen wurden mit diversen Preisen ausgezeichnet. Zusammen mit ihrer Lehrerin Lydia Kavina, der Großnichte des Theremin-Erfinders Lev Theremin, gründete sie 2005 die Plattform „Touch! Don't Touch!“ als Produktionsstätte für das Theremin in der Neuen Musik. bl
Moritz Eggert, einer der Komponisten, die für sie und ihr Ensemble geschrieben haben, erinnerte im „Bad Blog of Musick“ an die Musikerin:
Ich lernte Barbara vor vielen Jahren kennen, als sie umtriebig und liebenswert Komponisten für das Instrument Theremin (eigentlich „Thereminvox“) zu begeistern versuchte. (…) Das Theremin (ein oftmals unterschätztes Instrument, das keineswegs im digitalen Zeitalter durch seine besondere Art des Spielens veraltet ist) sieht leicht zu spielen aus, wenn man es aber selber versucht, merkt man, wie verdammt schwer es ist. Barbara war als sehr bewusst lebender „Körpermensch” für das Spielen geradezu prädestiniert. Immer strahlte sie beim Spielen eine große Körperbeherrschung und Ruhe aus, scheinbar mühelos gelang es ihr, die gerade beim Theremin besonders schwierige saubere Intonation zu beherrschen. (…)
Barbara hatte als umtriebige und neugierige Musikerin das Theremin relativ spät kennengelernt und es dann intensiv bei Lydia Kavina studiert, wobei ihre vielseitige musikalische Erfahrung ihr sicherlich half, sich schnell zu einer großen Virtuosin des Instruments zu entwickeln. (…)
Barbara war ein unglaubliches Bündel an kreativer Energie und ständig auf der Suche nach neuen Anregungen und Herausforderungen. Sie fühlte sich gleichermaßen in der Welt der Neuen Musik wie auch im Jazz, Independent-Pop und freier Improvisation zu Hause, in den letzten Jahren arbeitete sie auch zunehmend als Komponistin und Performerin. Eines Tages rief sie mich an und bat um Rat in einer heiklen Sache: Sie überlegte, sich bei der entsetzlichen Castingshow „Das Supertalent“ zu bewerben: nicht aus Eitelkeit oder Ruhmsucht, sondern allein aus dem Grund, das den meisten Menschen vollkommen unbekannte Instrument bekannter zu machen. Für sie war das eine heikle Gewissensfrage, denn das Theremin wird in den meisten Fällen eher als Instrument völlig verkitschter Populararrangements benutzt, wogegen Barbara ihre ganze Energie für künstlerisch ambitionierte Projekte verwendete. Trotz unserer gemeinsamen Bedenken riet ich ihr nach langem Gespräch mitzumachen – sie tat es und kam bis ins Finale, grandios das erreichend, was sie sich vorgenommen hatte, nämlich möglichst viele Menschen für das Theremin zu begeistern. (…)
Musik zu machen ist gerade dann, wenn es gewagte, experimentelle und ungewöhnliche Musik ist, eine Lebensentscheidung, keine bloße Beschäftigung. In diesem Sinne hat Barbara ihr Leben perfekt gelebt, denn genau dieser Entscheidung hat sie alles gewidmet: mit Liebe, mit Hingabe, mit Leidenschaft.
Sie wird mir fehlen. Sie wird uns fehlen. Sie wird fehlen. [Moritz Eggert]
Preisregen in Bremen – Siggi Loch, Hans-Jürgen Linke und Julia Hülsmann
Der jazzahead-Skoda-Award geht jeweils im Wechsel an einen Musiker und an einen Musik-Macher. Dieses Jahr wurde die Auszeichnung bereits zum siebten Mal im Rahmen der Bremer Messe „jazzahead“ verliehen: Ausgezeichnet wurde der Verleger und Musik-Produzent Siggi Loch. Der „Plattenboss aus Leidenschaft“ wie der Titel seiner zum 70. Geburtstag erschienenen Autobiographie heißt, legte in den 60er-Jahren eine steile Karriere hin, die ihn vom Hobbyschlagzeuger und Plattenverkäufer für die Electrola zum Europa-Chef des legendären Plattenkonzerns WEA führte. 1992 machte er seinen Traum wahr und gründete ein eigenes Jazz-Label unter dem Namen ACT. Seine Repertoirekenntnis, sein Wissen um gutes Marketing und effektive Werbung steckt er seither mit Erfolg in den Jazz. Zu seinen Künstlern zählen Joachim Kühn, Nils Landgren, Leszek Mozdzer, Youn Sun Nah oder der früh verstorbene Esbjörn Svensson. Die ACT-Reihe „Young German Jazz“ war Vorreiter bei der Förderung einheimischer Talente.
Der Skoda Award war nicht die einzige Auszeichnung auf der diesjährigen „jazzahead“. Der Journalist und Autor Hans-Jürgen Linke erhielt als erster Preisträger überhaupt den mit 5.000 Euro dotierten Preis für deutschen Jazzjournalismus, ausgelobt von der „jazzahead“, dem Freundes- und Förderkreis des Jazz in Bremen e.V. und gestiftet von der Dr. E. A. Langner-Stiftung. Linke war viele Jahre Kulturredakteur und Jazzkritiker bei der Frankfurter Rundschau, kündigte aber seinen Redakteursjob Ende vergangenen Jahres, als die Rundschau mit der „Berliner Zeitung“ zusammengelegt wurde. Für die nmz und die Jazzzeitung ist Linke seit vielen Jahren als freier Autor tätig.
Und noch eine Personalie: Neue Jazzbotschafterin der Deutschen Jazzföderation (DJF) ist die Pianistin und Bandleaderin Julia Hülsmann. Den Ehrentitel „Deutscher Jazz-Botschafter“ verleiht die DJF in unregelmäßigen Abständen an Persönlichkeiten des deutschen Jazz für ihr besonderes Engagement. Hülsmann ist Mitglied der Bundeskonferenz Jazz und seit diesem Jahr Vorstandsvorsitzende der Union Deutscher Jazzmusiker (UDJ).
Preisgekrönter Keller – Münchner Musikpreis und Jazz-Echo an die Unterfahrt
Der Stadtrat der Landeshauptstadt München hat das Votum der Jury bestätigt, den mit 10.000 Euro dotierten Musikpreis der Landeshauptstadt München 2012 an den Jazzclub Unterfahrt zu vergeben. Der Musikpreis wird alle drei Jahre verliehen. Ausgezeichnet wird eine herausragende Gesamtleistung im Bereich Musik beziehungsweise eine Persönlichkeit, die der Musikstadt München Geltung und Ansehen verschafft. In der Jurybegründung heißt es unter anderem: „Es ist alles andere als selbstverständlich, dass ein Jazzclub, selbst in einer Kulturstadt wie München, sieben Tage in der Woche ein hochkarätiges, aktuelles und mit vielen Weltstars bestücktes Programm präsentiert, in dem es noch dazu kaum Wiederholungen gibt. Im Grunde ist das ein unmögliches Unterfangen. Aber in München gibt es solch einen Club – eine Institution, die in der ganzen Jazzwelt bekannt ist und die in München wesentliche Impulse fürs Musikleben setzt. Diese Institution ist der Jazzclub Unterfahrt: ein Kellerraum für 200 Personen im Kulturzentrum Einstein und ein Tor zur Welt. Und: ein gemeinnütziger Verein, der eine Arbeit mit großer Wirkung leistet.”
Beinahe zeitgleich mit dem Musikpreis München wurde der Jazzclub Unterfahrt und seine Programmmacherin Christiane Böhnke-Geisse mit einem Jazz-Echo-Preis in der Kategorie „Förderer des Jazz” ausgezeichnet.
Rainer Mehlig zum Siebzigsten
Von April 1971 bis Mai 2005 leitete Rainer Mehlig als Geschäftsführer die Geschicke des Verbandes deutscher Musikschulen (VdM). Mehlig übernahm die Geschäfte des Verbands in einer Zeit des starken Wachstums, baute dieses weiter aus und holte neue Aufgaben in die Geschäftsstelle. Er engagierte sich stark für den Wettbewerb „Jugend musiziert“ und setzte deutliche kulturpolitische Akzente. In Mehligs Amtszeit fiel auch die Gründung der Deutschen Streicherphilharmonie nach der Wiedervereinigung. Mit seinen 16 Landesverbänden ist der VdM heute der Zusammenschluss von über 900 öffentlichen gemeinnützigen Musikschulen in Deutschland, in denen über eine Million Kinder, Jugendliche und Erwachsene von 35.000 Fachlehrkräften im Musizieren unterrichtet werden. Am 25. April 2012 beging Rainer Mehlig seinen 70. Geburtstag.