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Personalia 2014/06

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Der Journalist Reinhard Oehlschlägel ist tot +++ Zur Verleihung des Ernst von Siemens Musikpreises 2014 +++ Muno gewinnt Klebe-Wettbewerb +++ GEMA-Musikautorenpreis 2014

Leidenschaftlicher Kampf für eine neue Musik – Der Journalist Reinhard Oehlschlägel ist tot

Jahrzehntelang war er eine gut hörbare, unverwechselbare Stimme im Musikjournalismus. Doch er war weit mehr als ein Journalist. In seiner weit gefächerten Tätigkeit als Autor, Redakteur, Zeitschriftenherausgeber, institutioneller Anreger und Organisator erwies er sich als ein Kämpfer für die Sache der Neuen Musik, der in seinem Bereich enorm viel in Bewegung brachte und weit über Deutschland hinaus für seine Initiativen geachtet und manchmal auch gefürchtet war.

Geboren 1936 in Bautzen, kam Reinhard Oehlschlägel um das Kriegsende mit seiner Mutter nach Niedersachsen auf das Landgut von Will Vesper, an dessen Tisch er als Kriegskind eine Zeitlang durchgefüttert und vermutlich dauerhaft gegen rechtes Gedankengut immunisiert wurde. Nach einem Schulmusikstudium wandte er sich dem Journalismus zu. Er schrieb zunächst Musikkritiken für die Frankfurter Allgemeine und die Frankfurter Rundschau und kam 1972 als Redakteur für Neue Musik nach Köln zum Deutschlandfunk, wo er bis zu seiner Pensionierung 2002 tätig war.

Als Achtundsechziger und linker Sozialdemokrat verstand er Journalismus als Teil einer gesellschaftsverändernden Praxis. Und die hatte für ihn da anzusetzen, wo er selbst tätig war: an der Front der damaligen Avantgardemusik. Seine Ziele verfocht er kompromisslos und ohne Rücksicht auf eigene Gefährdungen. 1970 gehörte er zu den Organisatoren des Protests gegen die Leitung der Darmstädter Ferienkurse, die unter Ernst Thomas im postseriellen Akademismus steckengeblieben war. Die Folge waren Hausverbot in Darmstadt und Schwierigkeiten mit der Zeitungsredaktion. Beruflich vertrat er mit voller Überzeugung das, was man anwaltschaftlichen Journalismus nennt; Medienarbeit war für ihn nicht objektives Berichten, sondern leidenschaftlicher Kampf für die Musik, die er persönlich als förderungswürdig erachtete. Das bedeutete auch Kampf für eine Reform der Institutionen, die dieser Musik in seinen Augen zu wenig Interesse entgegenbrachten. Zusammen mit ihm, dem damaligen WDR-Redakteur Wilfried Brennecke und mit Eigel Krutt-ke war ich 1972 in der Kommission, die das Statut der deutschen Sektion der IGNM neu zu formulieren hatte – eine Arbeit nicht ohne Haken, die der Kollege Oehlschlägel mit strategischer Intelligenz und einem Gespür für das kulturpolitisch Exponierte, aber gerade noch Machbare anging. Die Gesellschaft für Neue Musik war von da an ein wichtiges Spielfeld für seine musikpolitischen Aktivitäten. 1980 war er auch an der Gründung der Kölner Lokalsektion der GNM beteiligt.

Ein untrügliches Gespür hatte Reinhard Oehlschlägel auch für alles, was vom Nimbus einer oppositionellen Ästhetik umgeben war. Er setzte sich früh ein für Komponisten wie Klaus Huber, Hans-Joachim Hespos, Helmut Lachenmann, Josef Anton Riedl, Mauricio Kagel oder Dieter Schnebel, die vom Musikfeuilleton um 1970 noch als kuriose Käuze belächelt wurden; mit Kagel kam es allerdings später wegen der Komposition „Exotica“ zu einer jahrzehntelangen Dauerfehde. Als Redakteur beim Deutschlandfunk knüpfte er in den frühen 70er-Jahren auch zielstrebig seine ersten, damals noch politisch heiklen Kontakte zur gerade entstehenden DDR-Avantgarde und schlug für die politische Musik von Hanns Eisler bis Frederic Rzewski eine Bresche. Auf der anderen Seite setzte er sich für die Neue Musik Lateinamerikas ein und unterstützte publizistisch den Komponisten Walter Zimmermann, der in seinem Kölner Loft amerikanische Außenseiter auftreten ließ. Die amerikanische Avantgarde, allen voran John Cage, versuchte er fortan mit allen Kräften in der bundesdeutschen Öffentlichkeit zu verankern. In den 1980er-Jahren startete Reinhard Oehlschlägel zwei Initiativen mit weitreichenden Folgen. 1980 war er maßgeblich beteiligt an der Gründung des Frankfurter Ensemble Modern. Und 1983 gründete er zusammen mit Ulrich Dibelius, Ernst Albrecht Stiebler und Gisela Gronemeyer die Zeitschrift „MusikTexte“. Sie wurde zu einem Spiegel seiner musik-ästhetischen Auffassungen – radikal der Sache verpflichtet, oft einseitig und manchmal auch rechthaberisch bis zum Sektierertum, aber trotzdem mit einer immer wieder überraschenden Weite des Horizonts. Mit seinem Tod ist eine publizistische Ära zu Ende gegangen.

Max Nyffeler

Offenheit der Ohren – Zur Verleihung des Ernst von Siemens Musikpreises 2014

Der Ernst von Siemens Musikpreis ist einer der bedeutendsten und höchstdotierten und ästhetisch-künstlerisch-politisch wirksamsten Preise rund um den Globus. Dieser wurde jetzt wieder nach Art der Auslober in Gestalt eines wunderbaren Festes im Münchner Cuvilliés-Theater überreicht, besser: gefeiert. Drei Millionen Euro Preis- und Fördergelder gehen an Institutionen, Ensembles, Komponisten, Musikmacher, an rund 150 Projekte weltweit im zeitgenössischen Musikbereich, also auch an Festivals, Konzerte, Kinder- und Jugendprojekte sowie Publikationen und wissenschaftliche Ansätze.

Michael Krüger, bis vor kurzem noch Hanser-Chef, jetzt Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und dergestalt weiterer zentraler Kooperationspartner im EvS-Verbund, setzte humorvoll, system- und selbstkritisch witzige kunstvolle und intelligente Akzente in seinem Grußwort – zumal gegen das Verros­ten der Ohren. Kritisches war zu hören in Richtung BR (Verlagerung der Klassikwelle aus den UKW-Territorien womöglich ins „waste land“ der Digitalität). Und auch der SWR kriegte sein Fett weg in Sachen Zusammenlegung von Orchestern, die partout und gar nicht zusammenpassen.

Überhaupt belegte auch dieser hinreißende Abend einmal mehr, wie schwer und vor allem wie wichtig der Kampf um den Erhalt kultureller Substanz im Bann von Quotenwahn und Jugendwahnsinn zunehmend wird. Da hatte die Förderpreisträgerin Brigitta Muntendorf (neben Luis Codera Puzo und Simone Movio) höchst kess Wesentliches zu sagen, so in guter alter spätrevoluzzerhafter Attitüde, im Umfeld von freiheitlich selbstbestimmten Strukturen im System, in der Musik. Nicht das ewige Lamentieren bringt die Veränderung, das Agieren mit dem Vorhandenen ist’s, was weiter getrieben werden muss.

Peter Gülke, der diesjährige Preisträger, forderte in seiner Dankesrede, gerade auch in seiner Anmutung auf das zuvor Gehörte hin, eine allgemeine Offenheit der Ohren ein. Wo er doch im zentralen klassisch-romantischen Kernrepertoire seine angestammte Heimat hat. Wer ihn erlebt hat als GMD in Wuppertal, als Dirigenten von und für Pina Bausch, als Teil ihres Tanztheaters, oder wer in seinen Publikationen liest, die allesamt von höchster und klarster Wissenschaftlichkeit und sprachlicher Schönheit geprägt sind, der findet bei Gülke, der erfindet dank Gülke Neues für sich als Anteilnehmenden, für sich als Denker, als Schöpfer. So viel Wärme, so viel Zuneigung, so viel Zuspruch hat kaum einer vor ihm erhalten. Das war ein wahres Fest für Augen (Publikationen, Bühne, Einspielfilme von Johannes List, von Dorothee Binding und Benedict Mirow), für Ohren (Klangforum Wien unter Clement Power plus Vokalsolisten) und Hirne.

Wolf Loeckle

Muno gewinnt Klebe-Wettbewerb

Der in Berlin lebende Komponist Alexander Muno ist als Sieger aus dem 2. Internationalen Giselher-Klebe-Kompositionswettbewerb hervorgegangen. Die Jury, der neben Landestheaterintendant Kay Metzger und Generalmusikdirektor Lutz Rademacher die Komponisten Aribert Reimann, Manfred Trojahn und Martin Christoph Redel angehörten, befand aus den 14 Einsendungen einstimmig die eingereich-te Kompositionsskizze von Alexander Muno als preiswürdig, der nun, basierend auf dem Drama „Sogno d’un mattino di primavera“ von Gabriele d’Annunzio, diese Oper vollenden wird. Neben der Uraufführung wird der Preisträger mit einem Preisgeld in Höhe von 16.000 Euro prämiert.

Alexander Muno wurde 1979 in Saarburg bei Trier geboren und nahm bereits als 17-Jähriger am Internationalen Jugendfestspieltreffen (Festival junger Künstler) in Bayreuth teil, wo er Kompositionskurse von Tobias PM Schneid besuchte. Ab 2000 studierte er Komposition an der Hochschule für Musik Würzburg in der Meisterklasse von Heinz Winbeck. Die Uraufführung von „Sogno d’un mattino di primavera“ soll am 12. Februar 2016 im Landestheater Detmold stattfinden.

GEMA-Musikautorenpreis 2014

Am 8. Mai wurden im Rahmen eines festlichen Diners zum sechsten Mal die Musikautorenpreise der GEMA verliehen. Im Unterschied zu den meisten Preis-Veranstaltungen wie immer in geschlossenem Rahmen, ohne den üblichen Presserummel. Auch die Struktur des Preises ist anders: Er wird verliehen von einer Jury, deren Zusammensetzung die ehemaligen Preisträger und Nominierten (automatisch Mitglieder der Akademie Deutscher Musikautoren) bestimmen: Autoren ehren Autoren.

Auch dieses Mal konnte man sich trotzdem über die Auswahl der Kategorien im Bereich der E-Musik (Solokonzert und zeitgenössische Chormusik) und die Auswahl der Nominierten wie in jedem Jahr etwas wundern. Doch der wirkliche Zweck hinter der Veranstaltung ist ein anderer: Die Autoren kommen einigermaßen ungezwungen über die Kategorie-Grenzen hinweg zusammen und ins Gespräch. Ergebnis: Entspannung, zumal es außer der Ehre auch nichts zu gewinnen gibt. Mit Ausnahme des Bereichs Nachwuchsförderung, der mit 10.000 Euro dotiert ist. Hier konnte sich Marko Nikodijevic (siehe unser Porträt auf S. 6) gegen Anno Schreier und Alexander Schubert durchsetzen. Die weiteren Preisträger: Komposition Jazz: Efrat Alony; Komposition Filmmusik: Martin Todsharow; Komposition Elektro: Robot Koch (Robert Koch); Komposition Solokonzert: Isabel Mundry; Text Mundart: Kasalla (Bastian Campmann, Flo Peil, Nils Plum, Rene Schwiers, Sebastian Wagner); Komposition zeitgenössische Chormusik: Charlotte Seither; Text Pop/Rock: Bosse (Axel Bosse); Erfolgreichstes Werk: „Applaus, Applaus“ (Sportfreunde Stiller); Lebenswerk: Udo Jürgens. [huf]

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