Salzburg - Für ein Jahr ist der Pianist und Musikmanager Markus Hinterhäuser Intendant der Salzburger Festspiele. Unter Jürgen Flimm, der Salzburg vorzeitig verließ, fungierte er als Konzertdirektor und wurde von Kritikern für seine ausgefallenen, fantasievollen Programme mit Lob geradezu überschüttet. Nach Ende seiner Salzburger Intendanz wechselt Hinterhäuser als Intendant zu den Wiener Festwochen.
dapd-Korrespondent Georg Etscheit sprach mit dem 53-Jährigen über dessen Pläne:
dapd: Sie sind nach dem vorzeitigen Abgang von Jürgen Flimm für ein Jahr Intendant der Salzburger Festspiele, bevor nächstes Jahr Alexander Pereira (derzeit noch Chef der Oper Zürich) das Ruder übernimmt. Sehen Sie sich als Platzhalter?
Hinterhäuser: Keineswegs. Ich leite für eine Saison die Festspiele und habe durchaus Raum für Dinge, die ich gerne machen wollte. Ich habe mir diesen Raum auch genommen.
dapd: Wo wird man denn Ihre Handschrift im diesjährigen Festspielprogramm erkennen können?
Hinterhäuser: Eigentlich gibt es nur eine Produktion, die ich von Jürgen Flimm übernommen habe, die «Frau ohne Schatten» von Strauss mit Christian Thielemann am Pult und Regisseur Christof Loy. Ganz neu ist Verdis «Macbeth», die erste Zusammenarbeit zwischen (dem Dirigenten) Riccardo Muti und (Regie-Legende) Peter Stein sowie Leos Janaceks «Die Sache Makropulos» mit Esa-Pekka Salonen am Pult und Christoph Marthaler als Regisseur. Neu ist auch, dass für die Retrospektive mit Mozarts drei Da-Ponte-Opern in der Regie von Claus Guth drei verschiedene Orchester und Dirigenten eingeladen wurden. Wir können hier verschiedene Lesarten zur Diskussion stellen, alles in allem wird es eine sehr bereichernde und erfrischende Mozart-Unternehmung werden.
dapd: Es gibt mittlerweile zahllose hochklassige Festivals in Europa, überall die gleichen Stars. Was macht Salzburg noch einzigartig?
Hinterhäuser: Salzburg ist ein produzierendes Festival mit drei Sparten. So etwas gibt es in dieser Dimension und Ausstrahlungskraft kein zweites Mal.
dapd: Ihr Vorgänger Jürgen Flimm hatte sich mal publikumswirksam über den Salzburger Starrummel beklagt.
Hinterhäuser: Da sollte man nicht zu snobistisch sein. Viele Stars sind ja nicht umsonst so bekannt und begehrt. Die sind einfach gut. Ich bemühe mich aber, etwas anders mit ihnen umzugehen, sie in ungewöhnlichere Zusammenhänge zu stellen. Da spielt Lang Lang eben mal Kammermusik. Oder Anna Netrebko ist in einer ungewöhnlichen Koppelung zu hören: Peter Tschaikowskis Einakter «Iolanta» und Igor Strawinskys lyrisches Märchen «Le Rossignol».
dapd: Sie wurden ja als Flimms Nachfolger gehandelt. Sind Sie enttäuscht, dass es dann Pereira wurde?
Hinterhäuser: Natürlich hätte es mich gereizt, hier in Salzburg noch fünf Jahre weiterarbeiten zu können. Aber wirklich enttäuschend war für mich der Vorgang, wie man hier eine neue Intendanz bestellt hat. Da sollte man schon mehr erwarten dürfen - eine derart intellektuelle und konzeptuelle Bescheidenheit sollte man diesen Festspielen nicht zumuten.
dapd: Was halten Sie vom Künstlerintendanten? Sind die automatisch besser als gelernte Betriebswirte?
Hinterhäuser: Sie sind weder automatisch besser noch automatisch schlechter. Die Tendenz jedoch, nur noch Maßstäbe gelten zu lassen, die nicht primär aus der Kunst kommen, sondern fast ausschließlich aus der Betriebswirtschaft oder der Kommunikationstechnik kommen, halte ich für außerordentlich bedenklich. Wenn man so in der Landschaft herumschaut, hat man ja das Gefühl, dass Intendanten alle aus dem gleichen genetischen Material zu bestehen haben. Ich halte durchaus viel vom Künstlerintendanten. Es ist schon ziemlich hilfreich, wenn man auch die andere Seite, die der Künstler, kennt, und zwar aus eigener Anschauung und eigenem Erleben.
dapd: Aber vielen Künstlern wird zumindest unterstellt, sie hätten wenig Ahnung vom Geschäft
Hinterhäuser: Natürlich muss man auch mit so einem riesigen Betrieb wie den Salzburger Festspielen umgehen können. Das kann in der Tat nicht jeder. Aber warum sogenannten Künstlerintendanten viel weniger Zutrauen geschenkt wird, ist tatsächlich erklärungsbedürftig. Doch im Moment läuft die Entwicklung ohnehin fast nur in eine Richtung. Der Politik mangelt es absolut an Mut zum vermeintlichen Risiko, man geht auf Nummer sicher, es geht um Geld, Auslastung, Quote. Alles, was nicht prozentuale Erfüllung bedeutet, messbar ist, scheint per se nicht mehr so wichtig. Die derzeitige Situation ist schon ziemlich ernüchternd.
Höhepunkte der Salzburger Festspiele 2011
- Neuinszenierungen:
Richard Strauss' «Frau ohne Schatten» (Dirigent Christian Thielemann/Regie Christof Loy), Giuseppe Verdis «Macbeth» (Riccardo Muti/Peter Stein), Leos Janaceks «Die Sache Makropulos» (Esa Pekka-Salonen/Christoph Marthaler), Wiederaufnahme der drei Da-Ponte-Opern von Wolfgang Amadeus Mozart (Regie Claus Guth) mit drei unterschiedlichen Orchestern.
- Oper konzertant:
Peter Tschaikowskis «Iolanta» mit Anna Netrebko (zusammen mit Igor Strawinskis «Le Rossignol»)
- Schauspiel:
siebenstündiger «Faust»-Marathon («Faust I» & «II» von Johann Wolfgang von Goethe, Regie Nicolas Stemann)
- Uraufführungen:
Roland Schimmelpfennigs «Die vier Himmelsrichtungen» und Peter Handkes «Immer noch Sturm».
Neuinszenierung von William Shakespeares «Maß für Maß» (Regie Thomas Ostermeier)
- Konzerte:
«Der Fünfte Kontinent»: Luigi Nonos «Prometeo», Salvatore Sciarrinos «Macbeth»; Konzerte mit den Wiener und Berliner Philharmoniker, dem Chicago Symphony Orchestra (Dirigenten Pierre Boulez, Christian Thielemann, Riccardo Muti, Mariss Janons, Sir Simon Rattle) und dem Simón Bolívar Symphony Orchestra of Venezuela (Dirigent Gustavo Dudamel) und dem West-Eastern-Divan Orchestra (Dirigent Daniel Barenboim; Solistenkonzerte mit Grigory Sokolov, Maurizio Pollini (beide Klavier) und Lang Lang (im Trio mit Vadim Repin und Mischa Maisky), Martin Grubinger (Schlagzeug); Liederabende mit Thomas Quasthoff und Matthias Goerne;