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Thomas Quastoff ist wieder in Sachen Jazz unterwegs
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Short People? – Giganten! Thomas Quasthoff ist wieder auf Reisen

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Ausgerechnet Dresden: Dort präsentierte Thomas Quasthoff Anfang Januar die „Kindertotenlieder“ von Gustav Mahler in der Semperoper und ging anschließend mit der Sächsischen Staatskapelle unter Zubin Mehta auf Konzertreise nach Gran Canaria und Teneriffa. Mitte Februar war der Sänger schon wieder in Dresden. Diesmal mit Kompositionen aus der Spaßecke, ein musikalischer Ausflug gen Blues, Jazz, Pop, Soul. Anschließend startete er eine Konzertreise.

Bis Ende Februar wird Thomas Quasthoff unterwegs sein, um eine CD zu promoten, die noch gar nicht erschienen ist. Dieser Ausflug führt ihn via Wien und Köln nach Berlin, Hamburg und Baden-Baden sowie in die Gegend von Jazz. Der Klassikstar fühlt sich zu diesem Genre ja immer schon stark hingezogen, wie nicht erst seit seinem 2007 erschienenen Album „Watch What Happens“ bekannt ist. Ursprünglich nur als wichtiges Hobby, seit der Zusammenarbeit mit Till Brönner und einem gemeinsamen Carnegie-Konzert längst höchst professionell. Ein Nachfolger dieser Debüt-CD sollte bereits produziert sein, doch eine Erkältung verzögerte den Studiotermin, der nun im Herbst nachgeholt werden soll. Dann folgt auch gleich noch eine zweite Tour dazu. Ein Höhepunkt zwischendrin dürfte das für den Sommer geplante Gastspiel in Salzburg werden.

Puristen des Jazz waren schon bei Quasthoffs Erstling in diesem Genre vor allem eins: Skeptisch. Sie wurden nicht eines Besseren belehrt, sondern fanden sich und ihr Ahnen meist noch bestätigt, dass die klassisch geschulte Stimme eines weißen Mannes für schwarzen Jazz zu rein ist.

Der Nachfolger unter dem Motto „Tell It Like It Is“ soll derart Kritik keinen Vorschub leisten. Wenn vom Konzert in der Semperoper auf die zu erwartende Scheibe geschlossen werden darf, dann hält sich der 1959 in Hildesheim bei Hannover geborene Künstler mehr im unterhaltsamen Bereich auf. Seine launigen Ansagen und Kommentare zwischen den Stücken wirkten frisch und unverbraucht und kündeten von echtem Spaß an der Sache.

Und diese Sache ist durchaus voller Vielfalt. Jazz pur ist zumindest nicht durchgängig angesagt, einige Titel kommen vom Pop, Vorlieben besitzt Quasthoff erstaunlicherweise auch in den Hinterlassenschaften einstiger Charts. Einseitigkeit, so erklärt der Meister, sei in seinen Augen gefährlich, man müsse auch über Genregrenzen schauen, was ja vielleicht sogar der Universalität von Künstlern nützt. Das reicht bis zu Ausflügen in die kaum je entdeckten Swing-Welten eines Nat King Cole, basiert recht trittsicher bei Marvin Gaye's „Mercy, Mercy Me“, vertippelt sich etwas, wenn Stevie Wonders „Have A Talk With God“ gecovert wird, und läuft in nonverbalen Klangbildern, die das immense Können dieses Sängers demonstrieren, zu Bestform auf. Gleich dreimal steht Quasthoff im Regen – im übertragenen Sinn, versteht sich – und beglückt alle Anwesenden im ausverkauften Semperbau (also auch sich selbst und seine Mitstreiter) mit Songs wie „Rainy Night in Georgia“, „I Can't Stand the Rain“ sowie „Rider in the Rain“. Keine Verneigungen etwa vor Randy Crawford, Gloria Gaynor und Tina Turner oder gar Randy Newman (der sein Lied in etwa doppeltem Tempo vorträgt), sondern perfekte Aneignungen.

Das Konzert, noch im Rahmen der Festwochen „25 Jahre Neue Semperoper“, um die 1985 erfolgte Wiedereröffnung zu feiern, zeigte einen aufgeräumten Performer, als den man den „klassischen“ Thomas Quasthoff eher nicht kennt. Doch hier parlierte er mit dem Publikum, ließ Anspielungen und Witz aufkommen, bewies angesichts der eigenen Körpergröße auch Selbstironie. Die erste Zugabe, nochmal ein Newman, war der einst heftig umstrittene Song „Short People“.

Nein, hier ist nichts kleinzureden, Thomas Quasthoff hat das Zeug zum stimmgewaltigen Entertainer auch auf diesen Gebieten. Puristen, siehe oben, mögen durch einen großen Namen vorgewarnt sein. Dem Spaß ganz entziehen können sie sich nur schwer. Zumal den Sänger bei seiner Tour wahre Giganten begleiten. Mit überragendem Fingerspiel auf Steinway, Synthesizer und E-Orgel Frank Chastenier, der ja nicht nur von der WDR-Bigband oder seinen vielen Dutzend Einspielungen her bekannt ist. Mit Bruno Müller an der Gitarre steht ein perfekter Saitenvirtuose auf der Bühne, der mutige Soli liefert und auch bescheiden in den Hintergrund tritt. Dieter Ilg am Bass ist ebenso wie Schlagzeuger Wolfgang Haffner einer der Besten in seinem Fach. Sie musizieren sonst neben der Größten der internationalen Jazz-Szene – nun gemeinsam mit einem der bedeutendsten Sänger.

Die CD „Tell It Like It Is“ erscheint im September bei Deutsche Grammophon.
Tourdaten:
18. Februar Wien, Großer Musikvereinssaal
20. Februar Köln, Philharmonie
22. Februar Berlin, Philharmonie
24. Februar Hamburg, Laeiszhalle
27. Februar Baden-Baden, Festspielhaus



 

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