Der Vertrag von Gerard Mortier am Opernhaus von Madrid läuft noch drei Jahre. Aber die Suche nach einem Nachfolger hat schon begonnen. Der Belgier will bei der Auswahl mitbestimmen. Notfalls legt er sich mit der spanischen Regierung an.
Madrid - Gerard Mortier hat eine Krebsoperation hinter sich und muss sich noch einer Nachbehandlung unterziehen, aber der künstlerische Direktor des Madrider Opernhauses gibt sich schon wieder kämpferisch. Der 69-jährige Belgier will bei der Nominierung seines Nachfolgers am Teatro Real ein Wörtchen mitreden, und da legt er sich sogar mit der spanischen Regierung an.
«Wenn die Regierung jemanden bestimmt, mit dem ich nicht einverstanden bin, dann gehe ich», sagte Mortier der Zeitung «El País» vom Dienstag. «Dann warte ich nicht bis zum Ablauf meines Vertrags im Jahr 2016. Ich möchte nicht mit jemandem zusammenarbeiten, der meine Vorstellungen am Teatro Real nicht teilt.»
Der frühere Intendant der Salzburger Festspiele hat nach eigenen Worten von der Geschäftsführung des Opernhauses erfahren, dass das Kulturministerium einen Spanier zu seinem Nachfolger machen wolle. Davon hält Mortier aber nichts. «Um ehrlich zu sein, in Spanien sehe ich niemanden der infrage käme», sagte er. Beim Posten des künstlerischen Direktor solle die Qualifikation den Ausschlag geben und nicht die Staatsangehörigkeit. «Spanien verfügt über eine herausragende Tradition auf den Gebieten der Kunst und der Museen, aber im Bereich der Oper ist das nicht der Fall.»
Mortier, einer der bedeutendsten Musikmanager in Europa, legte dem Madrider Opernhaus eine Liste mit sechs Kandidaten vor, die nach seiner Ansicht für die Nachfolge geeignet wären. Darunter sind auch zwei Deutsche: der künstlerische Betriebsdirektor der Bayerischen Staatsoper in München, Viktor Schoner, und der Intendant der Frankfurter Oper, Bernd Loebe. Die anderen von Mortier vorgeschlagenen Kandidaten sind Serge Dorny (Lyon), Alexander Neef (Toronto), John Berry (London) und Pierre Audi (Amsterdam).
«Mein Nachfolger könnte 2014 als Assistent anfangen und mit mir zusammenarbeiten. Dann könnte ich meinen Abschied vielleicht schon auf 2015 vorziehen», schlug Mortier vor. Sein Vertrag läuft noch bis 2016. Aber da Oper-Produktionen viel Zeit in Anspruch nehmen, hat die Suche nach einem Nachfolger schon begonnen. Die Planungen für die Spielzeiten 2014/2015 und 2015/2016 sind weitgehend abgeschlossen.
Mortier war vor drei Jahren in Madrid angetreten mit dem Ziel, das bis dahin international wenig bedeutende Teatro Real an die europäische Spitze heranzuführen. «Wenn ich hier weggehe, will ich einen musikalischen Apparat von europäischem Niveau zurücklassen», hatte er kürzlich betont. «Das ist meine Mission.»
Dabei hat Mortier allerdings damit zu kämpfen, dass die Madrider Regierung im Rahmen ihrer Sparpolitik im Bereich der Kulturförderung drastische Einschnitte vornahm, von denen auch das Opernhaus nicht verschont wurde.
Im Interview mit mit der Madrider Zeitung offenbarte Mortier, dass die Ärzte im Mai eine Krebserkrankung bei ihm festgestellt hätten. Er habe sich bereits operieren lassen und müsse sich bis mindestens Ende November einer Nachbehandlung unterziehen. «Der Arbeitswille hilft mir, die Krankheit zu überwinden», sagte er.
Hubert Kahl