Die ARD steht vor vielen Reformschritten. Die Debatte über die Höhe des Rundfunkbeitrags läuft. In diese Zeit fällt die Intendantenwahl beim ARD-Haus Südwestrundfunk (SWR).
Mainz/Stuttgart - Beim Südwestrundfunk (SWR) steht eine wichtige Wahl an. Am Freitag stimmen Kontrollgremien in Mainz über die Besetzung des höchsten Senderpostens ab. Intendant Kai Gniffke stellt sich zur Wiederwahl. Es blieb unklar, ob es noch weitere Kandidaten gibt. Der SWR mit seinem Sendegebiet in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ist der zweitgrößte Sender in der öffentlich-rechtlichen ARD-Gemeinschaft und hat dort großes Gewicht.
Für den 63-jährigen Gniffke wäre es die zweite Amtszeit. Die aktuelle startete 2019 und läuft noch bis Ende August 2024. Der Intendant oder die Intendantin des SWR wird für fünf Jahre gewählt, steuert das Haus und vertritt es nach außen. Im SWR arbeiteten Ende 2022 rund 3600 Festangestellte. Hinzu kamen noch rund 1800 freie Beschäftigte.
Gniffke ist zurzeit nicht nur wegen seines Intendantenpostens beim SWR eine Schlüsselfigur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Er ist aktuell auch Vorsitzender der gesamten ARD. Das Amt wechselt unter den Häusern meist alle zwei Jahre. Der SWR hat den Vorsitz nach ARD-Angaben bis Ende 2024, ein drittes Jahr ist nicht geplant.
Gniffke, der Mitglied der SPD ist, war 2023 ein Jahr früher als ursprünglich geplant eingesprungen, weil der damalige Vorsitz-Sender Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) im Sommer 2022 in eine Krise um Vorwürfe der Vetternwirtschaft und der Verschwendung gestürzt war. Intendantin Patricia Schlesinger hatte ihren Posten verloren.
Die ARD steht vor Umwälzungen. Die Häuser wollen in den nächsten Jahren eine Viertelmilliarde ihres Budgets umschichten, um mehr digitale Angebote im Netz zu schaffen - also mehr Beiträge in der Mediathek und Audiothek. Das TV-Programm und die Radioprogramme werden zwar weiter stark nachgefragt. Die Sehgewohnheiten ändern sich aber. Viele wollen Sendungen zeitversetzt sehen oder hören Podcasts.
Die ARD erhofft sich von der Umschichtung zudem, dass sie wieder mehr junge Leute erreicht. Der Altersdurchschnitt der Nutzer ist vergleichsweise hoch. Die Bundesländer haben den öffentlich-rechtlichen Rundfunk per Staatsvertrag beauftragt, die gesamte Bevölkerung zu versorgen.
Die ARD will künftig stärker beim Programm zusammenarbeiten. Gemeinsame Sendungen am Abend, die zeitgleich in mehreren Radiowellen laufen, sind ein Beispiel dafür. Doppelstrukturen sollen abgebaut werden. Gniffke hat als ARD-Vorsitzender die Aufgabe, diese Reform nicht nur nach außen, sondern auch in die ARD hinein zu moderieren.
Die neun Landesrundfunkanstalten stehen ohnehin vor zahlreichen Veränderungen. Es wurden Sparkurse bekannt - zum Beispiel beim krisengeschüttelten Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) und beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR). Es gibt Veränderungen in den Programmstrukturen - zum Beispiel im Kulturbereich beim Bayerischen Rundfunk (BR) oder beim Hessischen Rundfunk (HR). Das ist von Kritik aus der Mitarbeiterschaft und von Gewerkschaftern begleitet.
Beim SWR wird zum Beispiel Ende 2024 die Produktion der Ratgebersendung «ARD Buffet» nach mehr als 25 Jahren eingestellt, weil im Ersten künftig eine längere Ausgabe des «Mittagsmagazins» zu sehen sein wird.
Bei dem Reformkurs spielen ebenso Immobilien eine Rolle. Der finanziell angeschlagene RBB prüft Verkäufe. Beim SWR, der 2024 mit Gesamtaufwendungen von 1,37 Milliarden Euro rechnet - verkleinert man sich am wichtigen Senderstandort Baden-Baden.
Über all den Reformschritten schwebt schon länger eine Debatte um die Höhe des Rundfunkbeitrags, den Haushalte und Firmen in Deutschland zahlen. Für ARD, ZDF und Deutschlandradio ist der Beitrag die Haupteinnahmequelle. 2022 kamen 8,4 Milliarden Euro zusammen.
Vorläufigen Berechnungen von Finanzexperten zufolge sollte dieser ab 2025 von monatlich 18,36 Euro auf 18,94 Euro steigen. Die unabhängige Kommission KEF will Anfang 2024 eine endgültige Empfehlung an die Bundesländer abgeben, die dann in einem weiteren Schritt das letzte Wort zur Beitragshöhe haben. Es droht ein großer Konflikt, weil mehrere Länderchefs schon ihr Nein zu einem Plus öffentlich bekannt gemacht haben. Gniffke hatte im Sommer auf einer Digitalmesse gesagt: «Wir werden für eine Beitragserhöhung kämpfen.» Die Häuser argumentieren auch mit Preissteigerungen und der Inflation.
Anfang des Jahres will zudem ein unabhängiger Rat Ideen präsentieren, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk künftig in Deutschland leisten soll. Die Bundesländer baten um Impulse. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird es ein wichtiges Jahr.