Ein giftiges Bonmot lautete: Kunst-(also auch Musik-)Wissenschaft, hieße so, weil sie weder mit Kunst noch Wissenschaft zu tun habe. Ähnliches ließe sich von manchen Kulturpolitikern sagen, denen es sowohl an ästhetischer Empathie gebricht, als auch an Macht, sprich Geld. Ähnlich löst das Wort „Kulturmanager“ widerstrebende Gefühle aus, lässt es doch an Technokraten denken, denen es mehr um das Wie des administrativen Procedere geht als um das Was der Kunst. Institution, Organisation, Finanzierung, Legitimierung von Nicht-Profitablem oder aber Nicht-„sozial Relevantem“ sind deren Hauptprobleme. Sie zu ignorieren, ist nicht ratsam, will man innerhalb des bestehenden „juste milieu-Systems bestehen.
Aber es gibt Ausnahmen: Idealisten, Enthusiasten, die für ihre Sache brennen, Überzeugungstäter, die sich als Missionare wahrhaft moderner Kunst verstehen. Und die diese über die tradierten Sparten-Grenzen hinaus treiben wollen: im Sinne von Gustav Mahlers Devise „Tradition heißt Weitertragen des Feuers, nicht Anbetung der Asche“.
Solch ein Sympathisant und Protagonist des Neuen war Peter Oswald, der sich nicht nur als Mentor und Motor der musikalischen Avantgarde verstand, sondern diese auch im Spannungsfeld von Naturwissenschaften und Philosophie, bildender Kunst und Theater, also innerhalb eines multiplen „Gesamtkunstwerks“ verstand. In unterschiedlichen Räumen ist er neuen, noch unbekannten Dimensionen nachgegangen, hat auf seine Weise „faustisch“ versucht, herauszufinden, was die Welt „im Innersten zusammenhält“.
Wollte er schon im frühen Pharmazie-Studium wissen, wie Einflüsse, Substanzen, auf Körper und Geist wirken, so suchte er später den Kontakt zur Neurowissenschaft. Promoviert hat er indes über Mahlers Spätwerk: Schreiben, so sachkundig wie eloquent moderieren blieb eine Leidenschaft. 1984–87 arbeitete er für die Universal Edition, reiste unermüdlich, um für Schreker und Zemlinsky, die Wiener Schule, Boulez und Jüngere zu werben: Idealist, Motivator und Verkaufsgenie in einem. Danach organisierte er das Wiener Klangforum, leitete das Musikprotokoll im Steirischen Herbst, präsentierte dabei den noch unbekannten Giacinto Scelsi und war 2000 bis 2005 Intendant des für die österreichische Moderne zentralen Festivals, wo er Querverbindungen zu Literatur, Theater, bildender Kunst und Film förderte; wobei ihm exemplarische Musiktheater-Uraufführungen gelangen: Olga Neuwirths „Lost Highway“ knüpfte via Elfriede Jelinek an David Lynchs Rätsel-Kino an, für Beat Furrers „Begehren“ gewann er die „dekonstruktivistische“ Architektin Zaha Hadid als Bühnenbauerin für Wolfgang Mitterers „White Foam“ in der Umsetzung von La fura dels baus. Aber auch Bernhard Langs „Theater der Wiederholungen“ lancierte er. Und den Schriftsteller Händl Klaus hat er gefördert, zum Musik-Theater gebracht.
An Ideen, Projekten mangelte es nicht, stets konnte er sich für Neues begeistern. So gründete er 1999 mit seiner Frau Barbara Fränzen das CD-Label KAIROS, mit dem er eine wahrhaft internationale, weitgefächerte Avantgarde in vielfach mustergültigen Produktionen präsentierte. Schließlich gründete er noch das erstaunliche Festival „Arcana“ beim steirischen Kloster Admont am Rande des Kletter-Dorados „Gesäuse“, in dem er mit der renommierten Harvard-Physikerin Lisa Randall schwere Routen erklomm. Ein besonderes Faible hatte er für Spanien. Und nicht nur das: Für den katalanischen Komponisten Hèctor Parra schrieb keine Geringere als Lisa Randall das Libretto zu „Hypermusic Prologue“ – tönende Spurensuche nach einer „fünften Dimension“.
Dass Peter Oswald am Rande seiner Kräfte agierte, ahnte man. Am 3. August ist er, erst dreiundsechzigjährig, gestorben.