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Vom Rundfunksprecher zum weltweit gefeierten Bassbariton - Thomas Quasthoff beendet Sänger-Karriere

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Essen - Der deutsche Bassbariton Thomas Quasthoff verabschiedet sich nach fast 40 Jahren aus gesundheitlichen Gründen von der Bühne. Seine Gesundheit erlaube es ihm nicht mehr, "dem Anspruch, den ich immer an mich selber und an die Kunst gestellt habe, gerecht werden zu können", sagte Quasthoff nach Angaben der Philharmonie Essen am Mittwoch. "Ich habe dem Beruf sehr viel zu verdanken und gehe ohne Bitterkeit."

Thomas Quasthoff ist sicher jemand, den man Kämpfer nennen kann. Die große Karriere des deutschen Bassbaritons, der mit einer Contergan-Schädigung geboren wurde, lief auch über Umwege. Heute gilt der 52-Jährige international als einer der renommiertesten Lied- und Konzertsänger, doch dem Glanz der großen Bühnen voraus gingen ganz unglamourös ein Jura-Studium und ein Radiosprecher-Job. Am Mittwoch nun beendete Quasthoff aus gesundheitlichen Gründen seine Karriere, wie die Philharmonie Essen mitteilte.

Zuletzt hatte er bereits mehrere Konzerte wegen stimmlicher Probleme abgesagt. Denn der in Hildesheim geborene Quasthoff ist auch Perfektionist: "Ich habe mich entschlossen, mich nach fast 40 Jahren aus dem Konzertleben zurückzuziehen, weil es mir meine Gesundheit nicht mehr erlaubt, dem Anspruch, den ich immer an mich selbst und meine Kunst gestellt habe, gerecht werden zu können", teilte er mit. Er gehe aber "ohne Bitterkeit" und freue sich auf "neue Herausforderungen".

Quasthoffs Eltern erkannten früh sein musikalisches Talent und ermöglichten ihm Gesangsunterricht und schon zu Schulzeiten ein privates Studium in Hannover. Durch seine Contergan-Schädigung galt er jedoch als ungeeignet für eine Bühnenkarriere. Stattdessen begann er sein Berufsleben 1988 als Sprecher beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) - was sich ungeahnt als wichtige Weichenstellung entpuppen sollte. Er habe seine Karriere auch der Geduld seines früheren Chefs zu verdanken, sagte Quasthoff 2010 dem "Zeit-Magazin".

2006 zog er sich von der Opernbühne zurück

Er hätte eigentlich keinen Urlaub nehmen dürfen, als er damals am ARD-Musikwettbewerb teilnahm. "Dann musste ich immer wieder bei meinem Chef anrufen und sagen: Sorry, ich bin in der nächsten Runde." Sein Chef habe "alles auf seine Kappe" genommen. Der Gewinn des renommierten Wettbewerbs begründete die Karriere des Sängers.

In Europa konzertierte er mit den bedeutendsten Orchestern wie den Berliner und Wiener Philharmonikern, der Sächsischen Staatskapelle und dem London Philharmonic Orchestra. Er arbeitete mit berühmten Dirigenten wie Claudio Abbado, Kurt Masur, Daniel Barenboim, Christian Thielemann, James Levine und Zubin Mehta zusammen. Furore machte er vor allem als Bach- und Schubert-Interpret.

Auch in den USA war Quasthoff regelmäßig Gast bei bedeutenden Klangkörpern und wichtigen Festivals. 2001 eröffnete er als Solist der Berliner Philharmoniker unter Abbado die Saison der Carnegie Hall. Zwei Jahre später gab der Bassbariton sein Debüt auf der Opernbühne und sang bei den Salzburger Osterfestspielen unter Sir Simon Rattle die Rolle des Ministers in Beethovens "Fidelio". 2006 zog sich Quasthoff indes schon wieder von der Opernbühne zurück.

Quasthoff wird weiter unterrichten

Stattdessen widmete sich der Grammy- und Echo-gekrönte Sänger, der auch mit dem Europäischen Kulturpreis und dem Herbert-von-Karajan-Musikpreis geehrt wurde, einer alten Liebe: dem Jazz. 2007 nahm er unter anderen mit Till Brönner ein Jazz-Album auf und ging mit der Jazzband auf Konzertreise. Für die Wochenzeitung "Die Zeit" schrieb Quasthoff eine Zeit lang eine Musik-Kolumne, außerdem veröffentlichte er 2006 seine Autobiografie "Die Stimme".

In den Medien immer wieder thematisiert wird die Behinderung des Sängers. Für Quasthoff selbst spielte diese dagegen lange keine Rolle, wie er sagte. In seiner Familie sei er nicht anders behandelt worden als sein Bruder. "Erst als ich in einem Internat für körperlich und geistig Behinderte war, wurde ich mit viel Elend konfrontiert, das bei einem normalen Kind gar nicht auf dem Bildschirm auftaucht."

Quasthoff wird auch künftig weiter an der Hochschule für Musik "Hanns Eisler" in Berlin sowie bei internationalen Meisterkursen unterrichten. An seine Studenten stellt er dort ebenso hohe Ansprüche wie an sich selbst. In einem Interview mit "Spiegel Online" gab Quasthoff zu, untalentierten Bewerbern sage er bei der Aufnahmeprüfung unverblümt: "Tun Sie uns allen einen Gefallen, machen Sie was anderes." Im selben Interview verriet er übrigens auch, was ihn musikalisch noch locken könnte: "Wenn morgen Stevie Wonder anruft, bin ich sofort dabei. Auch mit Christina Aguilera oder Pink würde ich eine Aufnahme machen."