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Lorenz Kellhuber. Foto: Ssirus W. Pakzad
Lorenz Kellhuber. Foto: Ssirus W. Pakzad
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Aus dem Moment heraus

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Der Pianist Lorenz Kellhuber im Porträt
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Dieser Tage ist der Regensburger Pianist Lorenz Kellhuber alleine unterwegs. Mit Gepäck zwar. Aber ohne Noten. Denn der 28-Jährige vertraut zunehmend auf seinen Instinkt, seine Vorkenntnisse, sein Formbewusstsein, seine Musikalität. Auch wenn er sich im festen Trio mit dem Bassisten Arne Huber und dem Schlagzeuger Gabriel Hahn die Bühne teilt, bringt er vorher bestenfalls ein paar skizzenhafte Aufzeichnungen mit, ein paar Fragmente. Der Rest ist reine Improvisation.

Es kommt kein zielloses Mäandern bei diesen musikalischen Freiflügen heraus, sondern Musik, die strukturiert ist, die einen Anfang und ein Ende kennt, die einer Dramaturgie folgt. Kann sein, dass sich Kellhuber bei seinen Solo-Ausflügen oder mit Band an einem Motiv verhakt, es in eine Endlosschleife bringt, die tranceartige Zustände auslöst. Doch dann implodiert das Looping ohne Vorwarnung und eine komplexe, weit geschwungene Melodie bahnt der Musik eine neue Richtung. „Grundsätzlich mag ich lieber, ein Stück aus dem Moment heraus zu erschaffen, als den Komponisten in mir sprechen zu lassen“, erzählt Lorenz Kellhuber in einem Café nahe der Steinernen Brücke in Regensburg. „Das Spontane, Intuitive hat mir immer gelegen.“

Nicht mal, als es darauf ankam, hat Lorenz Kellhuber auf safe gespielt. Denn als er 2014 an der „Parmigiani Montreux Jazz Solo Piano Competition“ teilnahm, war es ganz normal für ihn, auf Netz und doppelten Boden zu verzichten. Er hat diesen Wettbewerb übrigens für sich entschieden. Als erster Deutscher überhaupt. Nicht nur gab es damals eine mehr als ordentliche Siegprämie, sondern oben drauf auch noch einen wertvollen Chronometer aus den Werken des Preisstifters. Der Gewinn des edlen Zeitmessers hat einen Uhren-Tick bei Lorenz Kellhuber ausgelöst.

Sein aktuelles Solo-Album „Live at the Montreux Jazz Festival“ (Blackbird Music) entstand übrigens, weil alle Gewinner des musikalischen Kreativmessens im Folgejahr wieder an den Ort ihres Triumphs eingeladen werden und dort ein Konzert spielen.

Solo-Auftritte und Trio-Konzerte sind bei Kellhuber an der Tages-Ordnung. Sideman-Jobs nimmt er – ungewöhnlich für einen Jazzmusiker – eigentlich nie an, es sei denn, sein alter Kumpel aus Regensburger Tagen, der Saxofonist Tobias Meinhart, macht mal wieder rüber aus der New Yorker Wahl-Heimat und ist in hiesigen Gefilden unterwegs. Kellhuber möchte sich ganz und gar auf die eigene Musik fokussieren. Allerdings ist der in Berlin lebende Oberpfälzer auch als Dozent aktiv, unterrichtet an der Regensburger Hochschule Einzelschüler (früher sogar im Bereich Klassik) und steht seit 2015 auch noch dem Uni Jazz Orchester vor. Was ist das Wichtigste, das er seinen Eleven mitgeben kann? „Ich versuche dieses Gefühl, das mich zum Musikmachen brachte, zu vermitteln und den Studenten zu zeigen, wie es ist, wenn man das Loslassen zulässt.“

Der Sohn zweier bekannter Kirchenmusiker war selbst von Anfang an ziemlich gut darin, sich von der Spiritualität leiten zu lassen – obwohl er damals noch nicht wusste, dass das so heißt. Seine erste intuitive Herangehensweise an Musik führte vermutlich zu den Resultaten, für die er heute von Kritikern wie Zuhörern verehrt wird.

„Ich habe mir schon immer sehr viel über das Gehör erschlossen, selbst als ich Klassik gelernt habe. Meine erste Lehrerin hat erst nach zwei drei Jahren festgestellt, dass ich gar nicht richtig Noten lesen kann“, amüsiert sich Kellhuber, der das perfekte Vom-Blatt-spielen später nachholte – sonst wäre er als Jungstudent wahrscheinlich auch gar nicht zur Konservatoriumsausbildung zugelassen worden. Trotz aller Disziplin, die er während des Studiums aufbringen musste, hat er sich seine Offenheit bewahrt. „Das spontane Zulassen und die Kontrolle über die Musik abgeben, konnte ich als Kind recht gut. Aber dann kommt so eine Phase, in der man zu bewusst versucht diese Zustände zu erreichen. Irgendwann blockiert man und muss versuchen wieder aus diesem Schlamassel heraus zu kommen. Derzeit stellt sich bei mir wieder ein Gefühl ein wie vor 20 Jahren, Das ist ein schöner Zustand.“

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