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Das Quartet New Generation v.l.n.r.: Heide Schwarz, Susanne Fröhlich,
Das Quartet New Generation v.l.n.r.: Heide Schwarz, Susanne Fröhlich,
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Begegnung der anderen Art

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Das Blockflötenquartett „Quartet New Generation“ auf Erfolgskurs
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Hört oder liest man den Begriff „Blockflötenquartett“, hat man ganz unbewusst sofort das Klischee älterer Damen mit schwarzen, blickdichten Strümpfen oder die kleine Schwester im Kindergartenalter vor seinem geistigen Auge, die einen mit nervigen, spitzen Tönen einst zur Weißglut getrieben haben. Um so überraschter wird man sein, wenn man sich auf einen Konzertabend mit den jungen Damen des Quartet New Generation einlässt. Denn erstens sind sie jung und attraktiv, und zweitens entlocken sie ihrer Instrumentenpalette alles andere als die altbekannten Blockflötentöne.

Susanne Fröhlich, Andrea Guttmann und Hannah Pape haben sich 1998 am Conservatorium van Amsterdam kennengelernt, später dazu gekommen ist Heide Schwarz, die Susanne Fröhlich schon aus Schulzeiten kannte, beide waren von Inge Reinelt an der Städtischen Musikschule in Passau unterrichtet worden. Über das Blockflötenklischee können die vier inzwischen nur mehr leise lächeln – „Wir bekommen immer wieder zu hören, dass Leute sagen, ‚wow, so haben wir Blockflöte noch nie gehört und ich wusste gar nicht, dass man so etwas auf der Blockflöte machen kann…’ Das ist einerseits ein großes Kompliment, andererseits sehr schade, dass die Leute immer noch nicht wissen, was das Instrument eigentlich wirklich kann“, erzählt Susanne Fröhlich, und Hannah Pape fügt hinzu: „Man muss versuchen, dieses Klischee positiv zu nutzen. Denn jeder weiß eigentlich, wie das Instrument aussieht, fast jeder hat es schon einmal gespielt, deshalb ist die Überraschung um so größer, wenn das Publikum dann hört, was man eigentlich alles damit machen kann.“

Allerdings müsse man sich wegen dieser Vorurteile bereits im Vorfeld überzeugend präsentieren, um das Publikum zu überzeugen. Bei den Jurys internationaler Wettbewerbe scheint ihnen das inzwischen spielerisch leicht zu gelingen. Erst vor kurzem haben sie beim Wettbewerb der Concert Artists Guild in New York ihren größten Erfolg feiern können. Der 1. Preis beinhaltet sowohl den Victor und Sono Elmaleh Award in Höhe von 5.000 Dollar sowie Auftritte innerhalb der CAG-Konzertserie, unter anderem in der Carnegie Hall in New York, zudem einen Zwei-Jahres-Managementvertrag mit Konzertreisen nach Nordamerika, Südamerika und Asien. Wettbewerbe waren und sind wichtig für das QNG, dabei wollten sie sich nie in den „verstaubten“ Blockflötennischen verstecken, sondern haben sich von Anfang an mit anderen Instrumenten in der Kategorie Kammermusik messen lassen. Beim Vorspielen bemühen sie sich außerdem immer – wie auch bei der Zusammenstellung ihrer Konzertprogramme –, nicht einfach drei Stücke aus drei verschiedenen Epochen aneinanderzureihen, sondern alles perfekt aufeinander abzustimmen, Alte Musik mit Neuer zu mischen und der Jury eine Art Mini-Performance zu bieten. Das unterscheidet sie von anderen Ensembles, und es kommt an.

Dass das QNG in der Blockflöten-Hochburg Amsterdam gegründet und zusammengestellt wurde, kommt nicht von Ungefähr. Es war unter anderem der Niederländer Frans Brüggen, der das Modeinstrument des 16. im 20. Jahrhundert wieder entdeckte und populär machte. Er gab sein Wissen und seine Begeisterung für das verkannte Instrument an seine Schüler – darunter Walter van Houwe, um nur ein Beispiel zu nennen – weiter und so breitete sich die Renaissance der Blockflöte bald über Europa und bis nach Japan aus. Berühmte Beispiele für ausübende Künstlergruppen sind das Amsterdam Loeki Stardust Quartet und das Flanders Recorder Quartet, beide agieren aber mit männlichem Personal.

Zusammengestellt wurde das QNG nach einem Vorspielabend, und es war allen klar, dass sich so unterschiedliche Temperamente wie die quirlige Susanne Fröhlich, die wortgewandte Hannah Pape, die Österreicherin Andrea Guttmann, die überlegt und eher wissenschaftlich agiert, und last but not least die stille Heide Schwarz, die das Instrument schon bei Seite gelegt hatte, weil sie gern mehr Krach machen würde, erst einmal zusammenraufen mussten. Aber es stellte sich bald heraus, dass „wir gut zusammenarbeiten können, und wir wussten instinktiv, dass das nicht selbstverständlich ist, dass das so gut geht“, so Fröhlich.

Mit dem vermeintlich schlechten Image ihres Instruments hatte keine der jungen Damen je Probleme. Susanne Fröhlich erzählt mit leuchtenden Augen von ihrer und Heide Schwarzs Passauer Lehrerin, die die beiden mit auf Kurse und Konzerte nahm und sie so mit ihrer Begeisterung anstecken konnte. Fröhlich: „Blockflöte war schon immer mein Instrument. Ich habe es auch mit Kirchenorgel, Cembalo und Klavier probiert, aber die Tasten liegen mir nicht. Blockflöte ist so etwas Nahes, Intimes, Persönliches.“ Hannah Pape kommt aus einer sehr musikalischen Familie und wurde nie von ihren Geschwistern gehänselt, ihr Instrument wurde gleichwertig anerkannt. Und Andrea Guttmann fügt hinzu: „Alles hängt von guten Lehrern ab, dann kann man sich mit jedem Instrument beschäftigen, es perfektionieren. Interessante Lehrer können einen inspirieren…“

Bei der Auswahl ihres Repertoires verfahren sie mit größter Sorgfalt, „wir sind alle vier sehr kritisch, was das anbelangt“. Gegründet wurde das Quartet New Generation in erster Linie, um sich intensiv der Neuen Musik zu widmen, dem Publikum die Scheu vor der Moderne zu nehmen, aber man stellt in den verschiedenen Programmen auch ganz bewusst zeitgenössische Werke denen der Renaissance und der Barockzeit gegenüber, um effektvoll zu zeigen, dass mit der konsequenten Suche nach neuen Horizonten auch „alte“ Musik neuartig erscheinen kann. Inzwischen schreiben bereits junge Komponisten, die QNG bei Arbeitsphasen, Ferienkursen, während Konzerten oder Workshops kennen lernen, dem Quartett Stücke auf den Leib. Ein jüngeres Beispiel ist das Werk „Still life“, das die Griechin Marianthi Papalexandri-Alexandri (geb. 1974) anlässlich eines Projektes im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück bei Berlin für QNG komponiert hat. Solche Begegnungen sind besonders spannend und berührend, bestätigen alle vier. Hannah Pape: „Teilweise bekommen wir inzwischen auch einfach eine Mail, einen Brief oder eine Mappe zugeschickt. Ein schönes Gefühl, dass der Stein ein bisschen ins Rollen kommt. Dann lädt man die Leute nach der ersten Kontaktaufnahme am besten in ein Konzert ein, dass sie uns wirklich einmal erleben...“

Ihr umfangreiches Instrumentarium, das von Nachbauten überlieferter Renaissance- und Barockinstrumenten bis zur Familie der Paetzold-Bassblockflöten reicht und dessen flexibler Einsatz im Ensemble („jeder spielt jede Höhe und jedes Instrument“) eröffnet den Musikerinnen immer wieder eine Fülle von neuen Ausdrucksmöglichkeiten, und auch dem Einsatz von elektronischen Effekten stehen die vier offen gegenüber. Dabei haben sie immer ihr Publikum im Blick – „zeitgenössische Musiker haben oft immer noch das Verlangen nach Konzeptmusik, die wahnsinnig abstrakt ist und oft dem Publikum nicht wirklich zugänglich ist. Wir wollen aber Abwechslung in den Stücken haben, unser Programm soll publikumsfreundlich bleiben. Wir bereiten auf extreme Klänge vor, dass man sich nicht erschreckt, erzählen was der Komponist meint. Das schätzen die Zuhörer sehr, und sie finden wirklich Zugang. Und nach den Konzerten hören wir oft, dass ihnen besonders die moderne Musik gefallen hat,“ fasst Susanne Fröhlich zusammen. Das stressige Tourneeleben genießen sie im Moment noch, eine Sehnsucht nach Sesshaftigkeit hat sich bisher noch nicht eingestellt. Hannah Pape: „Ich denke nur an das Jetzt. Jetzt läuft’s, jetzt kommt langsam der Erfolg, wir müssen nur uns finanzieren, ohne Familie und Kinder.“ Da der Traum von der Carnegie Hall schon in Erfüllung gegangen ist, schwebt ihnen jetzt eine Tournee durch Japan als Zukunftsvision durch den Kopf, ein Auftritt im Guggenheim Museum oder im Münchner Olympiastadion… „Weil ich der Meinung bin, dass man so viele Leute für unsere Musik begeistern kann“, meint Susanne Fröhlich. Und – da sind sich alle einig: „Ein Plattenvertrag wäre geil.“ Den zu bekommen wünschen wir auch ihren Zuhörern.

http://www.quartetnewgeneration.com

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